Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Fragen der letzten Woche, wie gewohnt mit den Verweisen in das Buch “Verfahrenspraxis EPÜ und PCT”.
Montag – Frage 21
Ein Erfinder, der als solcher in einem Europäischen Patent benannt ist, aber nicht der Anmeldet ist, möchte seine Rechte auf das Patent geltend machen. Gefragt war, in welchem Land der Erfinder das Verfahren unter den genannten Umständen eröffnen soll, wenn er
(a) ein Schweizer Staatsangehöriger, wohnhaft in der Schweiz, ist, der in Österreich für den Anmelden (eine österreichische Firma), arbeitet?
(b) ein französischer Staatsangehöriger, wohnhaft in Belgien, ist, der als freier Mitarbeiter (kein Angestellter) für den Anmelden tätig ist, der wiederum eine Kanadische Firma ist?
(c) ein Italienischer Staatsangehöriger, wohnhaft in Andorra, ist, der also freier Mitarbeiter (kein Angestellter) für den Anmelden (eine Firma in Andorra) arbeitet?
Antwort
(a) Kläger ist Mitarbeiter der Firma, Klage in dem Staat, in dem er hauptsächlich beschäftigt ist (Art.60(1) EPÜ), Klage in Österreich
(b) Kanada ist kein EPÜ-Vertragsstaat, wohnhaft in Belgien (ist Vertragsstaat), Klage in Belgien erheben,
(c) Andorra ist kein EPÜ Vertragsstaat, weder Erfinder noch Anmelden haben Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in einem Vertragsstaat, Klage in Deutschland
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, Seite 165, DI-233 ff.
Dienstag – Frage 22
Zwei Europäische Patentanmeldungen EP1 und EP2 wurden am gleichen Tag von zwei verschiedenen Anmelden eingereicht mit zwei äquivalenten, neuen und erfinderischen Merkmalen. Gefragt war, ob beide Anmeldungen patentfähig sind und welcher der beiden Patentinhaber das Produkt vermarkten darf.
Antwort
Beide Erfindungen wurden am gleichen Tag offenbart und eingereicht, beide sind kein Stand der Technik für die jeweils andere Erfindung (Art.54(2) EPÜ)
prinzipiell kann für beide Erfindungen EP1 und EP2 Patentschutz in Europa erlangt werden
Verkaufen darf prinzipiell keiner der Anmelder das Produkt, da sie gegenseitig ihre Patente verletzten würden, wenn Merkmal tatsächlich äquivalent ist
Abhilfe schafft beispielsweise eine Kreuzlizenzierung
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, Seite 163, DI-232
Mittwoch – Frage 23
Kurz nach der Veröffentlichung einer Europäischen Patentanmeldung, eröffnet ein Konkurrent Y ein Gerichtsverfahren in einem Vertragsstaat gegen X. Y beansprucht seine Rechte auf die Erteilung des Patentes. Da X Zweifel am Ausgang des Verfahrens hat, zieht er in Betracht das Verfahren vor dem EPA auszusetzen oder die Anmeldung zurückzunehmen.
Gefragt war, ob er zumindest eine dieser Möglichkeiten hat.
Antwort
X kann das Verfahren nicht aussetzen, lediglich Y, der das Verfahren im Vertragsstaat eröffnet hat kann dieses beenden (Art. 61(1) EPÜ, R.14(1) EPÜ)
ab Tag, an dem Dritter nachweist, dass er ein Verfahren eröffnet hat, darf X Anmeldung nicht zurücknehmenY kann neue Abmeldung einreichen, auch wenn X diese noch vor Bekanntwerden des Verfahrens durch Y zurücknimmt (G3/92)
ab Tag, an dem Dritter nachweist, dass er ein Verfahren eröffnet hat, darf X Anmeldung nicht zurücknehmenY kann neue Abmeldung einreichen, auch wenn X diese noch vor Bekanntwerden des Verfahrens durch Y zurücknimmt (G3/92)
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, Seite 167, DI-236, Endnoten 444, 448
Donnerstag – Frage 24
Eine Europäische Patentanmeldung beinhaltet einen ersten unabhängigen Anspruch beginnend „Verfahren X, umfassend …“ und einen zweiten unabhängigen Anspruch „Produkt Y, erhalten durch ein Verfahren X gemäß Anspruch 1“. Während der Sachprüfung deutet die Prüfungsabteilung an, den zweiten Anspruch im Hinblick auf Artikel 64(2) EPÜ zurückweisen zu wollen. Den Verfahrensanspruch wird erfinderische Tätigkeit und Neuheit zugesprochen.
Gefragt war nun, ob der Anmelder beide Ansprüche weiterverfolgen kann (a) und wie sich die Patentierbarkeit ändern würde, wenn die Prüfungsabteilung öffentliche Vorbenutzung des Produktes Y vor der Einreichung von EP1 nachweisen kann (b).
Antwort
Anspruch 2 ist ein „Product by Process“ Anspruch, der unter gewissen Voraussetzungen erteilter ist (F-IV, 4.12), ggf. wird das Produkt erhalten durch das Verfahren bereits geschützt (Art. 64 (2) EPÜ)
Produkt Y ist nicht neu (Art. 54 (2) EPÜ), auch durch das neue Verfahren X wird das Produkt Y nicht neu, dennoch ist das Produkt Y, erhalten durch das Verfahren X gem. Art. 64 (2) EPÜ geschützt
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, Seite 15, A-23
Freitag – Frage 25
Es sollen die Rechte A bis G von einer Firma Y auf eine Firma X übertragen werden, insofern sie DE als Bestimmungsstaat betreffen. Heute ist der 5. Juli 2016.
A – C sind Europäische Patentanmeldungen, die in der Sachprüfung sind,
D: Hinweis auf Erteilung des Patents wurde am 27. Januar 2016 veröffentlicht,
E, F und G sind Patente, die in den Jahren 2012 bis 2014 erteilt wurden,
G befindet sich in der Einspruchsbeschwerde
Gefragt war, nach den Erfordernissen für die Übertragung in den einzelnen Fällen.
Antwort
A – C: Anmeldungen sind generell übertragbar, ggf. auch nur für einen Vertragsstaat
D und G: während Einspruchsfrist und in der Einspruchsbeschwerde können Rechte übertragen werden, ggf. akzeptieren nicht alle Vertragsstaaten Übertragung
E und F: nationale Erfordernisse greifen
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, Seite 163, DI-231