PCT – Fragen in Woche 10

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Mit reichlich Verspätung kommen hier nun unsere Antworten mit Verweisen in das Buch “Verfahrenspraxis EPÜ und PCT” für die Fragen zum PCT aus Woche 10 der Daily D Questions des EPA.

Montag – Frage 46

Eine internationale Patentanmeldung wird beim Japanischen Patentamt eingereicht. Im Anmeldeantrag sind der Reihe nach ein Taiwanese, der seinen Wohnsitz in Taiwan hat, als erster Anmelder, ein Koreaner, der seinen Wohnsitz in Korea hat, als zweiter Anmelder und ein Japaner, der seinen Wohnsitz in Japan hat, als dritter Anmelder aufgeführt. Die drei Anmelder haben keinen gemeinsamen Vertreter benannt.
Gefragt war, welcher Anmelder vom Anmeldeamt als gemeinsamer Vertreter angesehen wird (a) und ob sich etwas daran ändert, wenn das Anmeldamt das Internationale Büro (IB) ist (b)?

Antwort

a) Reichen mehrere Anmelder gemeinsam eine internationale Patentanmeldung ein und haben keinen gemeinsamen Vertreter und keinen gemeinsamen Anwalt bestimmt, so richtet sich die Vertretung nach R.90.2(b) PCT. Demnach gilt automatisch der Anmelder, der im PCT-Anmeldeantrag zuerst genannt ist und der sowohl (1.) Staatsangehöriger eines PCT-VStaates oder dort seinen Sitz/Wohnsitz hat und zudem (2.) vor dem Anmeldeamt nach R.19.1 zur Einreichung einer internationalen Patentanmeldung berechtigt ist, als „fiktiver gemeinsamer Vertreter“ aller.

Der Koreaner ist weder Staatsangehöriger eines PCT-VStaates noch hat er dort seinen Sitz/Wohnsitz. Obwohl er erstgenannter im Anmeldeantrag ist, kann er daher nicht der „fiktive gemeinsame Vertreter“ aller sein. Das erste Kriterium nach R.90.2(b) PCT erfüllen nur der Koreaner (zweiter Anmelder) und der Japaner (dritter Anmelder).
Die Anmeldung wurde beim Japanischen Patentamt eingereicht. Da aus der Japaner Staatsangehöriger dieses PCT-VStaates ist und/oder dort seinen Wohnsitz hat, ist er als dritter Anmelder der erstgenannte Anmelder im Anmeldeantrag, der auch das zweite Kriterium nach R.90.2(b) PCT erfüllt.
Somit gilt der Japaner (dritter Anmelder) als „fiktiver gemeinsamer Anmelder“ nach R.90.2(b) PCT.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 242, Rdn. DII-98-101, rechte Spalte
 
b) Ja.
Da auch wieder nur der Koreaner (zweiter Anmelder) und der Japaner (dritter Anmelder) das erste Kriterium nach R.90.2(b) PCT erfüllen, bleibt der Taiwanese (erster Anmelder) unberücksichtigt. Da nach R.19.1 jeder Anmelder, unabhängig von dem Vertragsstaat, in dem er seinen Sitz/Wohnsitz hat oder dessen Staatsangehöriger er ist, beim IB einreichen. Der Koreaner (zweiter Anmelder) erfüllt daher alle Voraussetzungen von R.90.2(b) PCT und gilt daher als „fiktiver gemeinsamer Anmelder“ gegenüber dem IB.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 242, Rdn. DII-98-101, rechte Spalte
 
Dienstag – Frage 47

Am 14. August 2014 reichte Firma X eine deutsche Patentanmeldung DE-X ein, die den Gegenstand A offenbart. Am 14. August 2015 reicht Firma X eine internationale Anmeldung PCT-X ein, die die Priorität von DE-X beansprucht. PCT-X offenbart zusätzlich zu A auch den Gegenstand A+B. Der Anmelder hat Deutschland durch ankreuzen in Box Nr. V des Anmeldeantrags von der Benennung ausgenommen.

Gefragt war, ob es am 7. März 2017 noch möglich ist, Patentschutz für A und A+B in Deutschland über die PCT-X zu erlangen.
Antwort
Formblatt PCT/RO/101 bewirkt automatisch die Bestimmung aller Vertragsstaaten des PCT und für jede Schutzrechtsart. Dabei können Deutschland, Japan und Korea explizit und unwiderruflich von der Bestimmung ausgenommen werden. Dies ist hier erfolgt [R.4.9(b) PCT]. Die PCT-X kann daher nicht direkt in die deutsche Phase eintreten.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 220, Rdn. DII-3, Endnote 590
 
Allerdings kann für Deutschland noch Schutz über das Euro-PCT-Verfahren erlangt werden, da EPA als Bestimmungsamt im Anmeldeantrag automatisch bestimmt ist und nicht ausgenommen wurde. Also muss die regionale Phase vor dem EPA bis zum Ablauf von 31 Monaten nach dem Prioritätsdatum eingeleitet werden [Art.22(1), (3) PCT iVm R.159(1) EPÜ]. 14. August 2014 (DE-X) +31 Monate = 14. März 2017 (Dienstag).
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 253, Rdn. DIII-1
 
Die Euro-PCT-Anmeldung hat in allen Vertragsstaaten des EPÜ die Wirkung einer ordnungsgemäßen nationalen Hinterlegung. Nach Erteilung eines EP-Patents müssen keine weiteren Erfordernisse für die Erlangung eines deutschen Teils des EP-Patents vorgenommen werden.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 17, Rdn. DI-372
 
Mittwoch – Frage 48
Eine internationale Patentanmeldung eines niederländischen Anmelders wird am 15. Februar auf Niederländisch beim Niederländischen Patentamt eingereicht, ohne eine Priorität zu beanspruchen.
Gefragt war, ob eine Übersetzung der internationalen Anmeldung erforderlich ist (a), ob der Anmelder, falls er Englisch für die Übersetzung wählt, eine andere Verfahrenssprache vor dem EPA wählen kann (b) und ob die Antwort zu Frage (a) anders ausfallen würde, wenn die internationale Anmeldung auf Holländisch direkt beim EPA eingereicht worden wäre (c)?
Antwort
a) Holländisch ist zulässig, da für EPA als ISA muss international Anmeldung in Deutsch, Englisch oder Französisch vorliegen [Annex A EPA, Art.152 EPÜ], oder wenn Anmeldung in Belgien/Niederlande eingereicht in Holländisch. Das ist hier der Fall.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 228, Rdn. DII-37, Endnote 622
 
b) Die Sprache die in der internationalen Phase gewählt wurde, ist auch Verfahrenssprache vor dem EPA, wenn sie eine der Amtssprachen des EPA ist. Englisch ist eine Amtssprache des EPA. Ein Wechsel ist nicht zulässig [Art.14(3), G4/08].
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 253, Rdn. 1, Endnote 690
 
c) Ja, da nach Art.153(4) EPÜ iVm Art.27, R.57bis.1c) PCT eine Übersetzung bei Eintritt in regionale/nationale Phase erforderlich. Amtssprachen des EPA sind Deutsch, Englisch und Französisch.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 228
 
Donnerstag – Frage 49
Eine internationale Anmeldung wurde am 15. Januar 2016 eingereicht und beansprucht die Priorität einer früheren nationalen Anmeldung vom 18. Januar 2015.
Gefragt war, ob, wenn heute der 7. März 2017 ist, dann noch eine weitere Priorität hinzufügen kann, wenn die zusätzliche Priorität vom 18. September 2015 ist (a) und ob die Antwort anders ausfällt, wenn der Anmelder am 15. Januar eine Europäische Anmeldung eingereicht hätte (b)?
Antwort
a) Das Hinzufügen einer Priorität ist nach R.26bis.1a) PCT bis 16 Monate ab dem Prioritätsdatum oder dem berichtigten Prioritätsdatum (18. September 2015 + 16 Monate = 18. Januar 2017) möglich oder bis zu 4 Monate (15. Januar 2016 + 4 Monate = 15. Mai 2016 Sonntag è 16. Mai 2017 Montag) nach dem Anmeldedatum. Folglich wäre dies nur bis zum 18.01.
Es ist daher zu spät, die Priorität vom 18. September hinzuzufügen.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 225, Rdn. DII-27
 
Berichtung offensichtlicher Fehler nach R.91 PCT ist aber zulässig, wenn der Anmelder beweist, dass der Fehler offensichtlich war und Ergänzungsblätter der erforderlichen Stellungnahme beifügt. Die Frist endet 26 Monate nach dem Prioritätsdatum (15. September 2015 + 26 Monate = 15. November 2017).
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 228, Rdn. DII-37, Endnote 622
 
b) Berichtigung ist im EPÜ nach R.52(3) EPÜ bis zum 16 Monat ab dem frühesten Priotag oder bei Berichtigung des frühesten Priotag 16 Monate ab dem berichtigten Priotag zulässig. 18. September 2015 + 16 Monate = 18. Januar 2017 Somit ist die Frist zur Berichtigung der Priorität bereits abgelaufen.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 95, Rdn. DI-60
 
So lange noch keine Veröffentlichung erfolgt ist, ist allerdings eine Berichtigung nach R.139 EPÜ möglich. Die Veröffentlichung erfolgt nach 18 Monaten ab dem Prioritätsdatum. 18. Januar 2015 + 18 Monate = 18. Juli 2016. Ein Antrag auf Berichtigung offensichtlicher Fehler ist also noch möglich.
Verfahrenspraxis EPÜ und PCT, S. 103, Rdn. DI-72
 
Freitag – Frage 50
Ein Anmelder möchte eine internationale Anmeldung beim EPA einreichen, die die Priorität der früheren europäischen Anmeldung EP-X beansprucht. Der Anmelder stimmt allerdings dem Klarheitseinwand zu EP-X in der Stellungnahme zur europäischen Recherche nicht zu.
Gefragt war, ob der Anmelder etwas unternehmen kann, damit er nicht erneut denselben Einwand in der Stellungnahme zum internationalen Recherchenbericht erhält. Was muss der Anmelder einreichen und wo und was sind die Folgen daraus?
 
Antwort
Der Anmelder kann beantragen, dass die internationale Anmeldung als „PCT-Direkt“ behandelt wird. Dies ermöglicht es dem Anmelder einer internationalen Anmeldung, die Priorität einer früheren, vom EPA bereits recherchierten nationalen, europäischen oder internationalen Anmeldung zu beanspruchen und auf im Recherchenbescheid zur Prioritätsanmeldung erhobene Einwände zu reagieren.
 
Erfordernisse: 
1.    Internationale Anmeldung beim EPA eingereicht,
2.    Internationale Anmeldung beansprucht Priorität einer vom EPA recherchierten Anmeldung (europäische, nationale oder internationale Erstanmeldung), und
3.    Einreichen eines Schreibens (“PCT-Direkt-Schreiben”) zusammen mit der internationalen Anmeldung beim Anmeldeamt (hier EPA) mit einer informellen Stellungnahme (Argumente und Erläuterungen zu etwaigen Änderungen), mit dem die Einwände in der Stellungnahme zur früheren Recherche ausgeräumt werden sollen. Unter “informeller Stellungnahme” sind Argumente zur Patentierbarkeit der Ansprüche der internationalen Anmeldung zu verstehen sowie gegebenenfalls Erläuterungen zu etwaigen Änderungen der Anmeldungsunterlagen und insbesondere der Ansprüche gegenüber der früheren Anmeldung (Kopie im PDF-Format beifügen, in der Unterschiede gekennzeichnet sind). Das PCT-Direkt-Schreiben ist nicht Bestandteil der internationalen Anmeldung.
 
Folgen:
Prüfer berücksichtigt informelle Stellungnahme bei der Erstellung des internationalen Recherchenberichts mit schriftlichem Bescheid und PCT-Direkt-Schreiben wird über PATENTSCOPE veröffentlicht.
B-IV, 1.2 der Richtlinien für die Recherche und Prüfung im EPA als PCT-Behörde

2 KOMMENTARE

  1. Hallo Frederik,
    wir haben es in diesem Jahr leider nicht geschafft, wegen verschiedener anderer Aktionen auf der Webseite. Wenn du konkrete Fragen zum Buch hast, kannst du uns aber gern eine Mail schreiben (info@gg-ip.eu) oder die Kommentarfunktion unter dem Beitrag “Verfahrenpraxis EPÜ und PCT – Kommentare & Hinweise” (https://gg-ip.eu/2017/11/20/verfahrenpraxis-epue-und-pct-kommentare-hinweise/) nutzen, um dich mit anderen Nutzern des Buches auszutauschen.

    VG
    Dein GGIP Team

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