Mit Wirkung zum 01. Oktober 2017 hat der Verwaltungsrat des EPA die Änderung der Regeln 32 und 33 EPÜ beschlossen.
Hintergrund
Bisher konnte der Zugang zu hinterlegtem biologischen Material nur durch die Herausgabe der Probe an einen Sachverständigen erfolgen, wenn der Anmelder eine ordnungsgemäße Mitteilung nach Regel 32 (1) gemacht hat. Als Sachverständiger galten (1) benannte natürliche Person, sofern der Antragsteller bei der Einreichung des Antrags auf Herausgabe biologischen Materials nachweist, dass deren Benennung mit Zustimmung des Anmelders erfolgt und (2) Personen, die im Verzeichnis der anerkannten mikrobiologischen Sachverständigen unter Angabe aller wesentlichen Einzelheiten über die Person und den Tätigkeitsbereich im Amtsblatt veröffentlicht wurden (ABl. EPA 1992, 470).
Aktuelle Entwicklung
Lesen Sie dazu auch den Beitrag “Anforderungen an den Sachverständigen“.
Dazu wurde zunächst das Verzeichnis der anerkannten Sachverständigen abgeschafft. Ab Inkrafttreten der Regeländerung kann jede natürliche Person als Sachverständiger benannt werden, sofern sie die vom Präsidenten des EPA festgelegten Anforderungen und Verpflichtungen erfüllt (ABl. EPA 2017, A60).
Die Zustimmung des Anmelders für die Benennung eines Sachverständigen ist damit ebenfalls hinfällig. Neu ist, dass gemäß der geänderten Regel 32 (2) EPÜ mit der Benennung eine Erklärung (EPA-Formblatt 1142A) des Sachverständigen einzureichen ist, wonach er sich verpflichtet, die besagten Anforderungen und Verpflichtungen zu erfüllen und bestätigt, dass seiner Tätigkeit als Sachverständiger nichts entgegensteht. Mit der Abgabe dieser Erklärung ist das EPA ist davon befreit, sich von der Eignung und Unabhängigkeit des Sachverständigen überzeugen zu müssen.
Regeländerungen im Detail
Mit Beschluss des Verwaltungsrates vom 28. Juni 2017 erhalten die Regeln 32 und 33 EPÜ folgende Fassung, wobei die Änderungen blau hervorgehoben sind (ABl. EPA 2017, A55).
Regel 32 – Sachverständigenlösung
a) bis zu dem Tag, an dem der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents bekannt gemacht wird, oder gegebenenfalls
b) für die Dauer von zwanzig Jahren ab dem Anmeldetag der Anmeldung, falls die Anmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt, der in Regel 33 bezeichnete Zugang nur durch Herausgabe einer Probe an einen vom Antragsteller benannten unabhängigen Sachverständigen hergestellt wird.
a) jede natürliche Person, sofern der Antragsteller bei der Einreichung des Antrags nachweist, dass die Benennung mit Zustimmung des Anmelders erfolgt;
b) jede natürliche Person, die vom Präsidenten des Europäischen Patentamts als Sachverständiger anerkannt ist.
Zusammen mit der Benennung ist ferner eine Erklärung des Sachverständigen einzureichen, in der er die in Regel 33 vorgesehenen Verpflichtungen gegenüber dem Anmelder bis zum Erlöschen des europäischen Patents in allen benannten Staaten oder – falls die Anmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt – bis zu dem in Absatz 1 b) vorgesehenen Zeitpunkt eingeht, wobei der Antragsteller als Dritter anzusehen ist.
Regel 33 – Zugang zu biologischem Material
(1) Vom Tag der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung an ist das nach Maßgabe der Regel 31 hinterlegte biologische Material jedermann und vor diesem Tag demjenigen, der das Recht auf Akteneinsicht nach Artikel 128 Absatz 2 hat, auf Antrag zugänglich. Vorbehaltlich der Regel 32 wird der Zugang durch Herausgabe einer Probe des hinterlegten Materials an den Antragsteller hergestellt.
(2) Die Herausgabe erfolgt nur, wenn der Antragsteller sich gegenüber dem Anmelder oder Patentinhaber verpflichtet hat, das biologische Material oder davon abgeleitetes biologisches Material Dritten nicht zugänglich zu machen und es lediglich zu Versuchszwecken zu verwenden, bis die Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt oder das europäische Patent in allen benannten Staaten erloschen ist, sofern der Anmelder oder Patentinhaber nicht ausdrücklich darauf verzichtet.
Die Verpflichtung, das biologische Material nur zu Versuchszwecken zu verwenden, ist hinfällig, soweit der Antragsteller dieses Material aufgrund einer Zwangslizenz verwendet. Unter Zwangslizenzen sind auch Amtslizenzen und Rechte zur Benutzung einer patentierten Erfindung im öffentlichen Interesse zu verstehen.
(3) Abgeleitetes biologisches Material im Sinne des Absatzes 2 ist jedes Material, das noch die für die Ausführung der Erfindung wesentlichen Merkmale des hinterlegten Materials aufweist. Die in Absatz 2 vorgesehenen Verpflichtungen stehen einer für die Zwecke von Patentverfahren erforderlichen Hinterlegung eines abgeleiteten biologischen Materials nicht entgegen.
(4) Der in Absatz 1 vorgesehene Antrag ist beim Europäischen Patentamt auf einem von diesem anerkannten Formblatt einzureichen. Das Europäische Patentamt bestätigt auf dem Formblatt, dass eine europäische Patentanmeldung eingereicht worden ist, die auf die Hinterlegung des biologischen Materials Bezug nimmt, und dass der Antragsteller oder der von ihm nach Regel 32 benannte Sachverständige Anspruch auf Herausgabe einer Probe dieses Materials hat. Der Antrag ist auch nach Erteilung des europäischen Patents beim Europäischen Patentamt einzureichen.
(5) Das Europäische Patentamt übermittelt der Hinterlegungsstelle und dem Anmelder oder Patentinhaber eine Kopie des Antrags mit der in Absatz 4 vorgesehenen Bestätigung.
(6) Das Europäische Patentamt veröffentlicht in seinem Amtsblatt das Verzeichnis der Hinterlegungsstellen und Sachverständigen, die für die Anwendung der Regeln 31, 33 und 34 anerkannt sind.