Der Wortlaut des § 110 Abs. 1 ZPO spricht nur von der beklagten Partei („…auf Verlangen des Beklagten…“). Sofern die beklagte Partei obsiegt, steht jedoch auch ihrem (einfachen) Streithelfer ein eigenständiger Kostenerstattungsanspruch gemäß § 101 Abs. 1 ZPO gegen die klagende Partei zu. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob § 110 Abs. 1 ZPO über seinen Wortlaut hinaus auch auf den (einfachen) Streithelfer anzuwenden ist, so dass es zu einer Gleichbehandlung der Gläubiger kommt.
Zum Urteil
LG Mannheim, Urteil, 21. August 2017, 7 O 104/16 (unveröff.)
Relevante Rechtsnormen
§ 110 ZPO
Sachverhalt
Es entspricht inzwischen gängiger Prozessstrategie, die Klage gegen das letzte Glied in der Vertriebskette zu richten, um so einen maximalen Einigungsdruck aufzubauen. Als Reaktion hierauf verkündet die beklagte Partei ihrem Vertragspartner (bzw. ihren Vertragspartnern), von dem (bzw. denen) sie die angegriffenen Ausführungsformen bezogen hat, regelmäßig den Streit. Der auf Seiten der beklagten Partei beitretende Streitverkündete wird in der Konsequenz gegen seinen Willen in einen Rechtsstreit einbezogen, da er im Falle des Nichtbeitritts die Folgen der Interventionswirkung nach §§ 74 Abs. 3 i.V.m. 68 ZPO zu tragen hat. Soweit die klagende Partei Normadressatin des § 110 Abs. 1 ZPO ist, stellt sich die Frage, ob dem (einfachen) Streithelfer – neben der beklagten Partei – ein eigenständiger Anspruch nach § 110 ZPO zusteht. Beklagte Partei und Streithelfer sind gleichermaßen schutzbedürftig, da beide Gläubiger bei der Durchsetzung ihrer Kostenerstattungsansprüche nach § 101 Abs. 1 ZPO im außereuropäischen Ausland mit erheblichen Kosten und Mühen rechnen müssen.
Bisherige Rechtsprechung
Das LG Mannheim setzt seine bisherige Linie fort (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2016, 7 O 56/16), dem (einfachen) Streithelfer neben der beklagten Partei eine eigenständige Einrede nach § 110 ZPO zu versagen. Insoweit liegt das LG Mannheim ganz auf der Linie der Münchener, Düsseldorfer (LG Düsseldorf, Urteil vom 10. Februar 2015, 4a O 133/13) und Hamburger Gerichte (OLG Hamburg, NJW 1990, 650).
Entscheidungsgründe
Das LG Mannheim vertritt weiter die Ansicht, dass der (einfache) Streithelfer nicht berechtigt ist, Sicherheit für seine eigenen Kosten nach § 110 Abs. 1 ZPO zu verlangen. Das LG Mannheim begründet seine Entscheidung mit einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung. Der vom Wortlaut her eindeutige Begriff des „Beklagten” sei als terminus technicus der Prozessordnung nicht dahin auszulegen, dass er auch den einfachen (nicht gemäß § 69 ZPO als Streitgenosse der unterstützten Partei geltenden) Streithelfer auf Beklagtenseite erfasst.
Auch die Gesetzeshistorie rechtfertigt aus Sicht des LG Mannheim keine andere Entscheidung. Dass in den Materialien der Fall des Streithelfers bedacht werde, der auf Seiten des Klägers beitritt und dem Beklagten ggf. als Streitgenosse des Klägers gegenübersteht, führe zu keinem anderen Ergebnis.
Auch zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks sei eine erweiternde Auslegung des § 110 ZPO nicht geboten. § 110 ZPO regele den Interessenkonflikt, der sich daraus ergebe, dass der Beklagte dem prozessualen Angriff des Klägers ohne eigene Einflussmöglichkeiten im Inland ausgesetzt sei, seinen eventuellen Kostenerstattungsanspruch aber im Ausland nicht durchsetzen könne. Damit sei die Interessenlage des Streithelfers, der aus eigenem Antrieb – wenn auch ggf. rechtlich und wirtschaftlich mit Rücksicht auf eine Streitverkündung und deren mögliche lnterventionswirkung nach § 74 Abs. 1 ZPO „gezwungen” – dem Rechtsstreit der Hauptparteien auf Seiten des Beklagten beitrete, nicht gleichwertig.
Die Wertung des LG Mannheim, dass es angeblich an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt, ist fragwürdig. Der BGH hat eindeutig klargestellt, dass § 110 ZPO den Schutz der Gläubigerstellung, aber nicht der Person des Gläubigers bezweckt (vgl. BGH, GRUR 2016, 1204, Rz. 20 – Prozesskostensicherheit). Natürlich bleibt dann die Folgefrage zu klären, ob auch eine (planwidrige) Regelungslücke besteht. Anderenfalls scheidet eine Analogie aus.
Konsequenz
Die Entscheidung des LG Mannheim setzt den bisherigen Weg der Rechtsprechung fort, § 110 ZPO zu Gunsten der klagenden Partei eng auszulegen. Einer aggressiven Prozessstrategie steht § 110 ZPO weiterhin nicht im Weg: weder muss § 110 ZPO im einstweiligen Verfügungsverfahren beachtet werden (LG Düsseldorf, InstGE 5, 234 – Prozesskostensicherheit V; LG München, Urteil vom 11. Mai 2017, 7 O 5067/17) noch erschwert es diese Vorschrift der klagenden Partei, ihre Prozessstrategie so auszurichten, dass für den Hersteller ein maximaler Einigungsdruck aufgebaut wird, indem stets die untersten Glieder der Vertriebskette in Anspruch genommen werden. Schließlich bleibt der Einrede der beklagten Partei aus § 110 ZPO auch im Hauptsacheverfahren häufig der Erfolg verwehrt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. März 2017, I-15 U 67/16).