Zur Entscheidung
BPatG Urt. v. 10.5.2017 – 5 Ni 54/15 (EP) (unveröff.)
Relevante Rechtsnormen
Hierbei sind Bezugnahmen auf Beschreibung und Zeichnungen in Patentansprüchen grds unzulässig (§ 9 Abs. 8 PatV; Regel 43 Abs. 6 AOEPÜ), erst recht auf andere Unterlagen, ausgenommen z.B. bei der Wiedergabe umfangreicher Normvorschriften, wenn dem Gebot der Rechtssicherheit genügt (vgl. hierzu Keukenschrijver/Busse PatG, 8. Aufl. § 34 Rn. 74).; nicht jedoch die Bezugnahme in der Beschreibung einer Patentschrift auf andere Schriften, jedenfalls wenn sie jedem interessierten Dritten ohne weiteres zugänglichsind (vgl. BGH GRUR 1998, 901 – Polymermasse). Durch die Verweisung kann das Dokument vollständig oder teilweise in die Offenbarung der Erfindung einbezogen sein, wenn der Fachmann der Verweisung deutlich entnimmt, dass alle oder bestimmte technische Merkmale des in Bezug genommenen Dokuments zur Lehre der Erfindung gehören sollen. (Moufang/Schulte PatG 10. Aufl. § 34 Rn. 421)
Sachverhalt
In einem Nichtigkeitsverfahren hatte der 5. Senat sich mit der Frage zu befassen, ob eine Druckschrift mit älterem Zeitrang als neuheitsschädlich zu bewerten war, was davon abhing, ob und inwieweit aus Sicht des Fachmanns durch eine darin enthaltene Bezugnahme auf eine weitere Schrift deren Offenbarungsgehalt Gegenstand der Druckschrift geworden war.
Bisherige Rechtsprechung
Der X. Senat hat sich bisher in einigen Entscheidungen zu diesem Thema geäußert und in der „Terephthalsäure“-Entscheidung” (BGH GRUR 1980, 283) ausgeführt, dass bei dem Vergleich einer vorveröffentlichten Druckschrift mit dem Gegenstand einer Patentanmeldung zur Prüfung der Neuheit der Inhalt einer in der Vorveröffentlichung in Bezug genommenen weiteren Druckschrift, die zum Inhalt der Vorveröffentlichung gemacht worden ist, berücksichtigt werden muss. Auf den Inhalt des Offenbarten ist es danach ohne Einfluss, dass an Stelle der wörtlichen Wiederholung des Textes der kürzere Weg der Wiedergabe, nämlich den der Bezugnahme, gewählt wird.
In seinem Beschluss vom 14.5.1985 (X ZB 19/83 BlPMZ 1985, 373) hat der X. Senat relativiert, dass zur Auslegung des Offenbarungsgehalts einer Patentschrift als Stand der Technik bei einer Bezugnahme auf eine weitere Schrift zunächst zu klären ist, welche Bedeutung aus Sicht des Durchschnittsfachmannes der enthaltenen Bezugnahme für den Offenbarungsgehalt beizumessen ist. Konkret war zu klären, ob durch die Bezugnahme die quantitative und qualitative Zusammensetzung eines Klebstoffgemischs offenbart war. Der BGH wies darauf hin, dass im Regelfall die Bezugnahme auf den Inhalt einer anderen Druckschrift, wenn sie nur deren vollständigen Abdruck ersetzt, deren in Bezug genommenen Text nicht verändert. Dieser Text stehe allerdings nicht isoliert, sondern werde in einen konkreten – gegebenenfalls veränderten – Zusammenhang gestellt. Das könne unter Umständen dazu führen, dass der in Bezug genommene Text nicht mit seinem vollen Wortlaut, sondern nur insoweit als offenbart zu würdigen ist, wie dies dem Sinngehalt der Ausführungen, die auf ihn Bezug nehmen, entspreche.
Entscheidungsgründe
In Anwendung dieser Grundsätze der BGH Entscheidung vom 14.5.1985 (X ZB 19/83) führte der 5. Senat aus: Vorliegend sei wesentlich, dass der Kerngedanke der offenbarten Lehre darin bestehe, ausgehend von dem bekannten Interbus-System die Steuerung für sicherheitskritische Prozesse und die zugehörigen Sicherheitsfunktionen nicht im Busmaster, sondern in den weiteren Busteilnehmern zu realisieren, während in der Bezug genommen Schrift sowohl in der im Master enthaltenen Steuerung als auch in den Busteilnehmern jeweils zusätzlich eine sicherheitsbezogene Einrichtung zum Ausführen von vorbestimmten Sicherheitsfunktionen angeordnet werde.
Im Ergebnis führe dieses Verständnis dazu, dass der in Bezug genommene Text nicht mit seinem vollen Wortlaut, sondern nur insoweit als offenbart zu würdigen sei, soweit er sich auf die Ausführungen zur Ausgestaltung der sicherheitsgerichteten Funktionen in den weiteren Busteilnehmern – und nicht im Busmaster – beziehe.
Konsequenz
Es bleibt danach eine Prüfung des Einzelfalls ob und inwieweit eine Verweisung auf eine weiteres Dokument oder einen Standard geeignet ist, den Offenbarungsgehalt der verweisenden Schrift zu ergänzen, oder ob das Dokument nur das Fachwissen repräsentiert und im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit Berücksichtigung finden kann.