Beheizbarer Boden für Viehställe

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Zum Urteil

OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.07.2018, I- 15 U 43/15 (unveröff.)

Relevante Rechtsnormen

§ 139 Abs. 1 PatG, § 140a Abs. 3, 4 PatG

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unmittelbarer Patentverletzung u.a. auf Unterlassung und Rückruf in Anspruch.

Das Klagepatent betrifft einen beheizbaren Boden für Viehställe. Dieser ist anspruchsgemäß aus einer Vielzahl von hohlen, rechteckigen Plattenkörpern zusammengesetzt. Die Hohlräume der – mittels weiterer Merkmale konkretisierter – Plattenkörper sind „mit einem Wärmeträgerfluid, insbesondere mit Wasser, befüllt und mittels durch diese Hohlräume verlaufender Heizleitungen beheizbar.“

Die im Ausland ansässige Beklagte bietet an und vertreibt hydraulisch beheizbare Platten für die Schweinezucht, wobei dies jeweils ohne Wärmeträgerfluid erfolgt. Anfang 2015 änderte die Beklagte die Platten ab, so dass weitere – von der Beklagten auch für die ursprüngliche Ausgestaltung in Abrede gestellte – Merkmale des Klagepatentanspruchs unstreitig nicht verwirklicht sind.

Entscheidungsgründe

Die angegriffene Ausführungsform macht (in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung) von der technischen Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch:

Bei einem Kombinationspatent liegt zwar eine unmittelbare Verletzungshandlung im Regelfall nur vor, wenn die Gesamtkombination geliefert wird. Wer nur einzelne Komponenten einer Gesamtvorrichtung liefert und damit nicht alle Anspruchsmerkmale verwirklicht, kann hingegen grundsätzlich nur wegen mittelbarer Patentverletzung haftbar sein, weil andernfalls die gesetzliche Regelung des § 10 PatG umgangen werden würde und weil eine Unterkombination nicht geschützt ist (BGH, GRUR 2007, 1059 –Zerfallszeitmessgerät; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, I-2 U 93/12 – Folientransfermaschine; Senat, Urteil vom 19.02.2015, I-15 U 39/14, GRUR-RR 2016, 97 – Primäre Verschlüsselungslogik m. w. N.).

Gleichwohl kommt bei einem Kombinationspatent ausnahmsweise eine unmittelbare Patentverletzung in Betracht, wenn erst die Zutat eines Dritten die patentgeschützte Kombination ergibt. Diese Einstufung ist gerechtfertigt, wenn bei der Lieferung eines Teils einer Gesamtvorrichtung das angebotene oder gelieferte Teil bereits alle wesentlichen Merkmale des geschützten Erfindungsgedankens aufweist und es zu seiner Vollendung allenfalls noch der Hinzufügung selbstverständlicher Zutaten bedarf, die für die im Patent unter Schutz gestellte technische Lehre unbedeutend sind, weil sich in ihnen die eigentliche Erfindung nicht verkörpert hat (für das Patentgesetz 1968: BGH, GRUR 1977, 250 – Kunststoffhohlprofil; für das Patentgesetz 1981: OLG Düsseldorf, InstGE 13, 78 – Lungenfunktionsmessgerät m. w. N. auch zur Gegenansicht; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, I-2 U 93/12 – Folientransfermaschine; Senat, Urteil vom 19.02.2015 – I-15 U 39/14, GRUR-RR 2016, 97 – Primäre Verschlüsselungslogik).

Dies ergibt sich bei einer wertenden Betrachtung des Sachverhalts unter Zurechnungsgesichtspunkten: Würde ein Dritter die fehlende Zutat liefern, so läge eine gemeinsam begangene unmittelbare Patentverletzung vor. Damit wertungsgemäß vergleichbar ist es jedoch, wenn sich der Abnehmer bereits im Besitz der fehlenden (Allerwelts-) Zutat befindet oder er sich diese im Anschluss an die fragliche Lieferung mit Sicherheit besorgen wird, um sie mit dem gelieferten Gegenstand zur patentgeschützten Gesamtvorrichtung zu kombinieren. Der Handelnde macht sich dann mit seiner Lieferung die Vor- oder Nacharbeit seines Abnehmers bewusst zu Eigen, was es rechtfertigt, ihm diese Vor- oder Nacharbeit so zuzurechnen, als hätte er die Zutat selbst mitgeliefert (OLG Düsseldorf, InstGE 13, 78 – Lungenfunktionsmessgerät; Senat, Urteil vom 19.02.2015 – I-15 U 39/14, GRUR-RR 2016, 97 – Primäre Verschlüsselungslogik).

So liegt der Fall hier, weil es sich bei Wasser um eine die eigentliche Erfindung nicht verkörpernde „Allerweltszutat“ handelt, über die der Abnehmer verfügt und die er mit Sicherheit einsetzen wird, um den beheizbaren Boden seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen.

Unerheblich ist hierbei, dass das Klagepatente nicht auf Wasser beschränkt ist, sondern allgemein ein Wärmeträgerfluid beansprucht, bei dem es sich auch um andere, insbesondere künstlich hergestellte Flüssigkeiten handeln kann, über die Abnehmer regelmäßig nicht verfügen und die sie sich voraussichtlich auch nicht beschaffen werden. Kommen nach der allgemeinen patentgemäßen Lehre verschiedene Zutaten zur Herstellung der patentgemäßen Gesamtvorrichtung in Betracht, so ist eine unmittelbare Patentverletzung bereits gegeben, wenn nur eine davon die oben dargelegten Voraussetzungen erfüllt. Auch dann ist – wie der Verletzer weiß – sicher, dass der Abnehmer die fehlende “Allerweltszutat“ besorgen und zur patentgeschützten Gesamtvorrichtung kombinieren wird.

Eine unmittelbare Patentverletzung scheidet in der hier vorliegenden Konstellation der Hinzufügung einer „Allerweltszutat“ durch den Abnehmer nicht schon aus, wenn irgendeine andere, nicht patentverletzende Verwendung der gelieferten Teile theoretisch denkbar oder möglich ist. Vielmehr ist eine Kombination dieser Zutat mit dem gelieferten Gegenstand zur patentgeschützten Gesamtvorrichtung erst dann nicht mehr sicher zu erwarten, wenn diese alternative Verwendung auch praktisch sinnvoll ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Beklagte.

Infolge der unmittelbaren Patentbenutzung steht der Klägerin u.a. der von ihr geltend gemachte Rückrufanspruch gem. § 140a Abs. 3 PatG zur Seite. Ein solcher besteht auch gegenüber einem im Ausland ansässigen Verletzer (BGH, GRUR 2017, 785 – Abdichtsystem; OLG Karlsruhe, GRUR 2016, 482 – Abdichtsystem).

Allerdings ist der Inhalt des Rückrufanspruchs aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf einen Austausch der Verletzungsgegenstände gegen patentfreie Ersatzlieferung zu beschränken.

Ein Rückruf ist unverhältnismäßig i. S. d. § 140a Abs. 4 PatG, wenn sein Zweck ebenso effektiv auf andere Weise als durch „vollständigen“ Rückruf des Erzeugnisses gegen Erstattung des Kaufpreises erreicht werden kann. Verfügt der Verletzer bereits über eine patentfreie Ausweichtechnik, die er seinem Abnehmer im Austausch gegen den Verletzungsgegenstand anbieten kann, so ist daher eine Rücknahme des Verletzungsgegenstandes gegen Erstattung des Kaufpreises unverhältnismäßig, weil mit der Rücknahme gegen patentfreie Ersatzlieferung ein milderes Mittel zur Verfügung steht, mit dem die Störung ebenso sicher und endgültig beseitigt werden kann. Die gilt jedenfalls, wenn ausgeschlossen ist, dass durch nachträgliche Manipulation wieder der patentverletzende Zustand hergestellt und das Objekt alsdann wieder in den Verkehr gebracht wird (OLG Düsseldorf, InstGE 7, 139 – Thermocycler zum Vernichtungsanspruch).

Hiervon ist vorliegend auszugehen. Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform Anfang 2015 in einer Weise abgeändert, die dazu führt, dass der geltend gemachte Klagepatentanspruch unstreitig nicht mehr erfüllt wird. Die Gefahr einer Änderung durch nachträgliche Manipulation ist nicht festzustellen.

Ein Rückrufantrag und –tenor, der auf einen geltend gemachten Unterlassungsanspruch verweist, der ein Unterlassen von Benutzungshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand hat, weist jedenfalls infolge dieses Verweises einen hinreichenden Inlandsbezug auf und ist nicht zu weitgehend.

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Ulrike Voß
Frau Ulrike Voß ist seit 2014 Vorsitzende Richterin eines Patentsenats beim OLG Düsseldorf. Zuvor war sie fünf Jahre Vorsitzende Richterin einer der Patentkammern des Landgerichts Düsseldorf. Sie ist Mitherausgeberin des im Beck-Verlages erschienen Werkes "Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz" sowie Autorin im Beck-Online Kommentar / Patentrecht.
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