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Eine das patentamtliche Verfahren vor dem DPMA und die Senate des BPatG immer wieder beschäftigende Rechtsfrage von erheblicher praktischer Bedeutung betrifft die sich aus dem Patentkostengesetz (PatKostG) ergebende Pflicht zur vollständigen und rechtzeitigen Zahlung der Gebühren gemäß der Anlage zu § 2 I PatKostG, sei es der Gebühr für den markenrechtlichen Widerspruch, den patentrechtlichen Einspruch, die Beschwerde oder die Klagegebühr im Patent-Nichtigkeitsverfahren.
Der Gebührenfrage kommt deshalb so erhebliche Bedeutung zu, weil abweichend von anderen Verfahrensordnungen die vollständige und rechtzeitige Zahlung der fälligen Gebühr (§ 3 PatKostG) eine verfahrensrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt, die sich nach § 6 II PatKostG in einer Fiktion der Rücknahme des Antrags oder Nichtvornahme der Handlung äußerst. Von der Gebührenzahlung hängt also ab, ob überhaupt ein Verfahren anhängig wird (BGHZ 83, 271 Einsteckschloss). Die Wirkung der unterbliebenen oder der nicht vollständigen Zahlung tritt kraft Gesetzes ein. Die nach § 23 I Ziff. 4 RPflG zu treffende und erinnerungsfähige Entscheidung des Rechtspflegers, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt, hat dementsprechend nur deklaratorische Wirkung (BGHZ 182, 325 – Legostein). Geklärt ist insoweit in der st. Rspr., dass fristgebundene Rechtsbehelfe (hierzu BGH GRUR 2005, 184 – Verspätete Zahlung der Einspruchsgebühr) oder die Beschwerde ebenso wie die Nichtigkeitsklage bei Nichtzahlung der Gebühren innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit (hierzu BGH GRUR 2013, 539 – Kontaktplatte) als „sonstige Handlungen“ i.S.v. § 6 II PatKostG der Fiktion sämtliche der Nichtvornahme unterliegen (ausführlich Deichfuß GRUR 2015, 1170; Engels/Busse PatG § 59 Rn. 26 ff; § 73 Rn. 21).
Insoweit stellt sich trotz der mit Wirkung vom 1.7.2006 eingestellten Neufassung des Gebührenverzeichnisses zu § 2 PatKostG und der in Vorb. A und B ausdrücklich erwähnten gesonderten Gebührenpflicht für „jeden Antragssteller“ immer noch die Frage, was „Antragssteller“ bedeutet und ob mehrere Inhaber eines einzelnen gewerblichen Schutzrechts gebührenrechtlich nicht als mehrere Antragsteller zu behandeln sind. Das hat der BGH ausdrücklich bejaht und der gegenteiligen Auffassung des 25. Senats des BPatG zum Markenrecht ausdrücklich widersprochen (BlPMZ 2017, 218 – Cevita/CêlaVita/CÊLAVITA). Damit bestätigt der X. Senat zu der bereits in früherer Rspr. und Lit. diskutierten Ausnahme des Vorliegens einer „Rechtsgemeinschaft“ als Ausnahmetatbestand ein einschränkendes Verständnis (hierzu BGHZ 83, 271, – Einsteckschloss; GRUR 1984, 36 – Transportfahrzeug; Engels/Busse PatG 8. Aufl. § 59 Rn. 32) und bestätigt seine früherer Entscheidung „Mauersteinsatz“ (GRUR 2015, 1255) für die GbR als anzuerkennende Ausnahme. Dort war eine Zuordnung möglich, so dass sich die nun beantwortete Frage einer Zuordnungsregel noch nicht stellte.
Entscheidung
BGH Beschl. v. 19.9.2017 X ZB 1/17 – Mehrschichtlager
Relevante Rechtsnormen
§§ 2, 3, 6 II PatKostG, §§ 47 II, 73 I, II PatG , § 123 I, II PatG; § 23 I Ziff. 4 RPflG
Sachverhalt
Die beiden Patentinhaberinnen und Beschwerdeführerinnen hatten nach Widerruf des Patents im Einspruchsverfahren gemeinsam Beschwerde zum BPatG eingelegt, aber nur eine Beschwerdegebühr in Höhe von 500,– € entrichtet und sich erst nach Ablauf der Beschwerdefrist darauf berufen, dass sie nicht nur eine Gemeinschaft nach Bruchteilen i.S.v. §§ 741 ff. BGB bildeten, sondern eine Rechtsgemeinschaft in Form einer BGB-Gesellschaft (GbR), wie auch darauf, dass mangels korrekter Belehrung die Frist für die Beschwerde nach § 47 II Satz 3 PatG ein Jahr betrage; zudem hatten sie vorsorglich eine weitere Beschwerdegebühr nachentrichtet und hilfsweise Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 123 PatG beantragt. Das BPatG entschied, dass die Beschwerde als nicht erhoben gelte und wies auch den als zulässig angesehenen Wiedereinsetzungsantrag zurück.
Mit BGH „Mauersteinsatz“ (GRUR 2015, 1255) sei geklärt, dass grds. mehrere Schutzrechtsinhaber eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 ff BGB bildeten, für welche gemäß Anlage zu § 2 I PatKostG, Einleitung von Teil B, Nr. 401 100, zwei Beschwerdegebühren in Höhe von insg. 1.000,– € hätten entrichten müssen; einen Hinweis innerhalb der Beschwerdefrist auf den Ausnahmetatbestand einer GbR sei aber versäumt worden. Auch sei die Rechtsmittelbelehrung nicht unrichtig bzw. unvollständig gewesen wie auch die hilfsweise begehrte nachträgliche Zuordnung der gezahlten Beschwerdegebühr zugunsten einer der beiden Patentinhaberinnen mangels hinreichender Anhaltspunkte ausscheide. Der BGH hob auf die zugelassene Rechtsbeschwerde diese Entscheidung auf.
Bisherige Rechtsprechung
Zutreffend hatte das BPatG auf die zitierte Rspr. des BGH und die Vorbemerkung zu Teil A und B des Gebührenverzeichnisses zu § 2 I PatKostG verwiesen wie auch danach bestehende Möglichkeit einer Zuordnung durch Auslegung, so z.B., wenn nur der Name eines Beteiligten auf dem Überweisungsformular oder der Einzugsermächtigung angegeben ist (BGH Mauersteinsatz; BPatGE 12, 158, 160 f.).Nach der bisherigen Rspr. wurde weder die nunmehr getroffene Zuordnungsregel anerkannt noch eine nachträgliche Beibringung von Tatsachen für eine Zuordnung nach Ablauf der Beschwerdefrist, da bei befristeten Rechtsmitteln innerhalb der Frist klar sein müsse, wer Rechtsmittelführer sei (BGHZ 83, 271 – Einsteckschloss; BGHZ 21, 168).
Entscheidungsgründe
Der X. Senat bestätigte zunächst seine Rspr., wonach bei Einlegung einer Beschwerde, die von mehreren Personen erhoben wird, die Gebühr entsprechend der Anzahl der Beschwerdeführer mehrfach zu entrichten ist, sofern keine GBR vorliegt (BGH Mauersteinsatz). Ferner habe vorliegend auch kein Anlass bestanden, von einer GBR auszugehen, da bei mehrdeutigem Verhalten der Beschwerdeführerinnen nur eine Auslegung anhand des Aktenstands geboten sei. Die weitere Frage, ob auch die Erklärungen nach Ablauf der Beschwerdefrist beachtlich sein können, ließ der BGH allerdings offen, weil selbst diese Erklärungen vorliegend keine andere Bewertung rechtfertigten.
Anders beurteilte der BGH aber die zweite Frage einer möglichen nachträglichen Zuordnung der gezahlten Gebühr. Der X. Senat führte den insoweit bereits in BGH „Mauersteinsatz“ betonten Ansatz weiter zu einer Anrechnungsregel und kam unter Aufgabe der früheren Rspr. (BGHZ 83, 271, – Einsteckschloss; GRUR 1984, 36 – Transportfahrzeug; ebenso BPatGE 12, 163, auch bei gemeinsamen Anwalt) zu dem Ergebnis, dass die in der Zahlung nur einer Gebühr liegende Erklärung im Zweifel dahin auszulegen ist, dass die Beschwerde, falls sie mangels Entrichtung einer ausreichenden Zahl von Gebühren nicht für beide Beteiligte in zulässiger Weise erhoben wurde, für den im Rubrum der angefochtenen Entscheidung an erster Stelle Genannten erhoben sein soll (abl. noch BPatGE 46, 260 = Mitt. 2004, 70), zumal Patentmitinhaber notwendige Streitgenossen seien und deshalb auch am Verfahren zu beteiligen seien, wenn sie nicht selbst Beschwerdeführer seien.
Konsequenz
Die Entscheidung des BGH ist im Ergebnis zu begrüßen und trägt dem auch in den Gründen ausdrücklich genannten wichtigen Grundsatz für die Auslegung von Prozesserklärungen Rechnung, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Erklärenden entspricht (BGH NJW 2011, 1455; GRUR 2014, 911 – Sitzgelenk; siehe auch Engels/Busse PatG 8. Aufl., Vor § 73 Rn. 46; zur Gebührenzahlung § 73 Rn. 24, zum Einspruch § 59 Rn. 31-32).
Lesen Sie dazu auch den Beitrag “BGH klärt Klarheitsdebatte Fugenbund – BGH Fugenbund” von Rainer Engels.
Wenn auch zweifelhaft ist, ob dies als dogmatische Begründung für eine derartige Zuordnungsregel liegen ausreichend ist, so wird das Ergebnis andererseits bestärkt durch die Überlegung, dass insoweit eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt und deshalb auch hinsichtlich der hieraus nach § 62 ZPO resultierenden Vertretungsfiktion weitere Streitgenossen immer Verfahrensbeteiligte des Beschwerdeverfahrens werden, ohne selbst Rechtsmittel- bzw. Beschwerdeführer zu sein (hierzu auch Engels/Busse PatG, 8. Aufl., § 74 Rn. 33-34; zum Einspruch § 59 Rn. 212-213; zur Nichtigkeitsklage BGH GRUR 2016, 361 – Fugenband, hierzu Beitrag Engels BGH Fugenband).
Missverständlich erscheint die Begründung insoweit, als ein Abkehr von der früheren Rspr. (BGHZ 83, 271 – Einsteckschloss, BGHZ 21, 168) bzgl. der Zuordnung der Gebühr nach Ablauf der Beschwerdefrist angesprochen wird, aber nicht erfolgt. Denn die zitierte Rspr. sieht nicht die Frage nachträglicher Zuordnung, d.h. die Auslegung als solche, abweichend, sondern verlangt nur zu Recht, dass die hierfür erforderlichen Tatsachen innerhalb der Rechtsmittelfrist vorliegen müssen (zB Akten des DPMA oder die vorgelegten Unterlagen). Die vorliegende Entscheidung lässt diese Frage aber ausdrücklich offen. Nicht festgehalten wird danach eigentlich nur an der in der zitierten Rspr. bisher nicht anerkannten Zuordnungsregel als Auslegungselement, während die Auslegung selbst wie immer jenseits jeglicher Fristgebundenheit steht.