Zum Verhältnis von Schutz durch das Grundpatent und konkreter Offenbarung bei ergänzenden Schutzzertifikaten

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Autor des heutigen Beitrags ist Christoph Brückner, Patentanwalt in München und Autor des Buches “Ergänzende Schutzzertifikate Supplementary Protection Certificates“.

Um das Erfordernis von Artikel 3 a) der VO 469/2009 für ergänzende Schutzzertifikate zu erfüllen, reicht es nicht aus, wenn der Gegenstand eines ergänzenden Schutzzertifikats zwar unter die in den Ansprüchen enthalten Definition fällt, aber erst nach dem Anmeldezeitpunkt des Grundpatents entwickelt wurde. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich die Ziele der VO 469/2009 nur auf Grundpatente für neue Arzneimittel bzw. Wirkstoffe oder und Wirkstoffgruppen beziehen und nicht auf Stoffgruppen, sind die Anforderungen des Artikel 3 a) der VO 469/2009 nur dann erfüllt, wenn der fragliche Wirkstoff (oder die Wirkstoffkombination) in den Patenansprüchen so spezifiziert ist, dass er als solcher identifizierbar ist und dem Fachmann dadurch tatsächlich zur Verfügung gestellt wird.

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Zur Entscheidung

BPatG; 14 W (pat) 12/17; 17. Oktober 2017 (veröff. hier)

Relevante Rechtsnormen

Artikel 3 a) und c) VO 469/2009

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des Patents EP 1 0844 705 betreffend ein Verfahren zur Senkung des Blutglukosespiegels bei Säugern durch die Verabreichung von sogenannten DP IV-Inhibitoren. Der zu dieser Wirkstoffgruppe zählende Wirkstoff Sitagliptin wurde nach dem Anmeldetag des Grundpatents von einer Lizenznehmerin entwickelt, die hierfür ein Patent erhalten hat, aufgrund dessen ihr ein ergänzendes Schutzzertifikat (im Weiteren: ESZ) erteilt wurde. Die Beschwerdeführerin beantragte nun ein ESZ für diesen Wirkstoff.

Entscheidungsgründe

Das DPMA wies die Anmeldung mit der Begründung zurück, dass die Erteilungsvoraussetzungen gemäß Art. 3 a) VO 469/2009 (im Weiteren: AM-VO) für ergänzende Schutzzertifikate nicht erfüllt seien. Begründet wurde dies damit, dass das Erzeugnis, welches Gegenstand der Anmeldung ist, ausschließlich funktionell definiert würde. Es fehle dem Grundpatent an einer spezifischen Offenbarung von Sitagliptin, so dass der konkrete Wirkstoff dem Fachmann nicht zur Verfügung gestellt werde.

Dem hielt die Anmelderin entgegen, der Beitrag und Kern der patentgemäßen Erfindung sei nicht in der Verwendung spezifischer Verbindungen zu sehen, sondern in dem auf die Behandlung von Diabetes mellitus gerichteten Einsatz von DP IV-Inhibitoren im Allgemeinen. Der Wirkstoff Sitagliptin stelle einen DP IV-Inhibtor dar und erfülle somit die funktionelle Definition der Wirkstoffklasse in Anspruch 2 des Grundpatents.  Der Entscheidung „Medeva“ sei nicht zu entnehmen, dass der betreffende Wirkstoff in individualisierter Form angegeben werden müsse. Indem der EuGH in seiner Entscheidung „Eli Lilly“ die Verwendung einer funktionellen Charakterisierung zuließ, habe er deutlich gemacht, dass er eine individualisierte Nennung des Erzeugnisses in den Ansprüchen nicht für notwendig erachte. Schließlich habe der EuGH mit seiner Entscheidung „Actavis“ verdeutlicht, dass es für die Prüfung der Voraussetzungen von Artikel 3 a) AM-VO entscheidend sei, ob das Erzeugnis von dem Kern der Erfindung im Hinblick auf die Marktzulassung Gebrauch mache.

Dem entgegnete das BPatG, die maßgeblichen Kriterien für die Auslegung des Artikel 3 a) AM-VO habe der EuGH in seinen Entscheidungen „Medeva“ und „Eli Lilly“ festgelegt. So habe der EuGH in seiner Entscheidung „Medeva“ festgestellt, dass es unzulässig sei, ein ESZ für einen Wirkstoff zu erteilen, der in den Ansprüchen des Grundpatents nicht genannt wird. In seiner Entscheidung „Eli Lilly“ habe der EuGH ausdrücklich hervorgehoben, dass auf den Schutzbereich, der dem Grundpatent in einem fiktiven Verletzungsprozess zukommen würde, nicht zurückgegriffen werden dürfe. Für einen Wirkstoff der unter eine allgemeine Funktionsformel der Patentansprüche fällt, könne grundsätzlich ein ESZ erteilt werden, allerdings nur dann, wenn die Ansprüche sich stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise.

Diese Argumentation stehe auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung „Actavis“ des EuGH. Die dort vorgetragenen Grundsätze beziehen sich primär auf die Auslegung von Artikel 3 c) AM-VO. Die Ausführungen dieser Entscheidungen zu Artikel 3 a) AM-VO wertet das BPatG vielmehr als Bestätigung der in den Entscheidungen „Medeva“ und „Eli Lilly“ niedergelegten Grundsätze.

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Erzeugnis im Sinne von Artikel 3 a) AM-VO geschützt ist, komme es entscheidend darauf an, ob das betreffende Erzeugnis in den Ansprüchen des Grundpatents derart konkret umschrieben ist, dass es zum Schutzgegenstand der Patentansprüche gehört. Denn Artikel 69 EPÜ beziehe sich nicht nur auf die Bestimmung des Schutzbereichs, sondern unterscheide zwischen der in einem ersten Prüfungsschritt notwendigen Bestimmung des Gegenstands der Ansprüche einerseits und der für die Verletzungsfrage maßgeblichen Schutzbereichsbestimmung für diesen Schutzgegenstand andererseits.  Somit seien die Anforderungen von Artikel 3 a) AM-VO nur dann erfüllt, wenn der in Frage stehende Wirkstoff oder die in Frage stehende Wirkstoffkombination in den Ansprüchen so spezifiziert ist, dass er als solcher identifizierbar ist und dem Fachmann dadurch tatsächlich zur Verfügung gestellt wird.

In einer Reihe von Mitgliedstaaten wurde in parallelen Verfahren ein ESZ erteilt, wohingegen in einer Reihe von Mitgliedstaaten die Anmeldung zurückgewiesen wurde oder noch anhängig ist. Diese unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten verdeutlichen die Gefahr von dauerhaften Divergenzen der Rechtsprechung, die dem Ziel der AM-VO, eine einheitliche Lösung auf Gemeinschaftsebene zu schaffen, entgegenwirken.

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