Unbedingte Transparenzpflicht für FRAND-Lizenzangebot

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Die Entscheidung des LG Mannheim zur nunmehr „grundsätzlich“ möglichen verspäteten Nachholung von „FRAND-Verfahrensobliegenheiten“ des SEP-Patentinhabers ist eine Annäherung an die Düsseldorfer Praxis. Diese betont, dass der nicht fristgerechte Vollzug einer FRAND-Verfahrensobliegenheit keine materielle Präklusion nach sich zieht (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219 – Mobiles Kommunikationssystem). Anders als die Düsseldorfer Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219 – Mobiles Kommunikationssystem) sieht es das LG Mannheim auch bei geführtem FRAND-Zwangslizenzeinwand jedoch nicht als erforderlich an, den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu beschränken und entsprechend nur eingeschränkt zu tenorieren.

Entscheidung

LG Mannheim, Urteil, 10. November 2017, 7 O 28/16 (veröff. in Juris)

Relevante Rechtsnormen

Art. 102 AEUV, § 19 GWB; §§ 242, 259 BGB

Sachverhalt

Der vorliegende Fall betrifft ein SEP mit FRAND-Erklärung, das bei der Implementierung des UMTS-Standards relevant ist. Wie so oft, konnten sich die Parteien trotz langwieriger Verhandlungen nicht auf die FRAND-Lizenzgebühr einigen. Daraufhin klagte die SEP-Patentinhaberin vor dem LG Mannheim, das der Klage jedoch nur hinsichtlich derjenigen Ansprüche stattgab, die von vornherein nicht vom FRAND-Zwangslizenzeinwand erfasst werden (Auskunft, Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach; vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 16. Juli 2015 – C-170/13 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Dezember 2015). Mit Blick auf die darüber hinaus erhobenen Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen wies das LG Mannheim die Klage als „derzeit unbegründet“ ab, da der FRAND-Zwangslizenzeinwand diesen Ansprüchen als dilatorische Einwendung entgegensteht. Das LG Mannheim begründete die (Teil-) Klageabweisung damit, dass die SEP-Patentinhaberin ihren „FRAND-Verfahrensobliegenheiten“ sowohl „vorprozessual“ als auch „während des Prozesses“ nicht ausreichend nachgekommen war.

Bisherige Rechtsprechung

Die Entscheidung des LG Mannheim, für die Frage der Nachholung der FRAND-Verfahrensobliegenheiten (auch) auf den Zeitpunkt nach Klageerhebung abzustellen, ist eine Abkehr von der bisherigen Mannheimer Linie. Diese hatte stets betont, dass die den SEP-Patentinhaber treffenden FRAND-Verfahrensobliegenheiten (Verletzungshinweis und FRAND-Lizenzangebot) zeitlich vor der Klageerhebung zu erfüllen sind. In der Konsequenz war eine Nachholung nach Klageerhebung bislang ausgeschlossen (vgl. LG Mannheim, Urt. v. 1.7.2016, Az.: 7 O 209/15).

Entscheidungsgründe

Das LG Mannheim begründet diese Entscheidung mit dem unionsweit gültigen prozessualen Grundsatz, dass allein der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen maßgeblich ist.

Allerdings schränkt das LG Mannheim die Möglichkeit für prozesstaktische Erwägungen des SEP-Patentinhabers gleich wieder ein, um eine „sanktionslose Umgehung“ der FRAND-Verfahrensobliegenheiten auszuschließen. Die Kammer verweist insoweit auf die dem FRAND-Verfahrensprozedere zugrundeliegende Intention des Unionsgerichtshofs. Danach soll sich der (angebliche) Verletzer frei von der Drucksituation einer Unterlassungsklage im Verhandlungswege entscheiden können, ob er die seitens des SEP-Patentinhabers vorgeschlagenen FRAND-Lizenzbedingungen anerkennt, oder mit einem FRAND-Gegenangebot eine Einigung anstrebt. Vor diesem Hintergrund knüpft das LG Mannheim die Nachholbarkeit der FRAND-Verfahrensobliegenheiten des SEP-Patentinhabers an die Bedingung, „erneut eine drucklose Verhandlungssituation“ herzustellen. Aus Sicht des LG Mannheim bietet hierzu der Antrag auf „Ruhen des Verfahrens“ (§ 251 ZPO iVm § 249 Abs.1, Abs. 2 ZPO) einen gangbaren Weg.

Das LG Mannheim konkretisiert in der Entscheidung zudem die Transparenzvorgaben für das FRAND-Angebot des SEP-Inhabers. In formaler Hinsicht muss es sich zum einen um ein konkretes schriftliches Angebot handeln muss, das die vertragswesentlichen Bestimmungen enthält. Zum anderen muss der angebliche Verletzer in die Lage versetzt werden, anhand objektiver Kriterien nachvollziehen zu können, warum das Angebot – innerhalb des zuzugestehenden Entscheidungsspielraums – FRAND ist. Hierfür ist die Lizenzgebühr anzugeben und die Art und Weise ihrer Berechnung transparent zu machen. Die bloße Mitteilung von Multiplikatoren, die der Lizenzgebührenberechnung zugrunde liegen, genügt nicht. Schließlich betont das LG Mannheim, dass die geforderte Lizenzgebühr auch unter dem Gesichtspunkt „non discriminatory“ FRAND sein muss. Das vom LG Mannheim aufgestellte Transparenzgebot erfordert belastbare Angaben zu den konkreten anderweitig gewährten Lizenzbedingungen und den Sachgründen einer etwaigen Ungleichbehandlung der Lizenznehmer/ Lizenzsucher. Die Kammer betont, dass dem SEP-Patentinhaber solches schon deshalb zumutbar und abzuverlangen ist, da ihn im Hinblick auf das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot nach Art. 102 Abs. 1, Abs. 2 lit. c AEUV „ohnehin“ eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich einer Gleichbehandlung der Lizenzsucher und die (primäre) Darlegungs- und Beweislast für einen hinreichenden sachlichen Grund einer Ungleichbehandlung treffen. Hinzuzufügen ist an dieser Stelle noch, dass aus der „Huawei /ZTE Technologies“-Entscheidung des Unionsgerichtshofs (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 16. Juli 2015 – C-170/13 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15. Dezember 2015) sogar eine Beweislastumkehr folgt, da bei der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs „nur dann nicht“ von einem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung des SEP-Patentinhabers ausgegangen werden kann, wenn er dem Lizenzsucher zuvor ein konkretes Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet hat.

Anders als die Düsseldorfer Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2017, 1219 – Mobiles Kommunikationssystem) sieht es das LG Mannheim bei geführtem FRAND-Zwangslizenzeinwand jedoch nicht als erforderlich an, den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu beschränken und entsprechend nur eingeschränkt zu tenorieren. Nach Auffassung der Kammer hindert eine mögliche Beschränkung des Schadensersatzes auf Zahlung einer FRAND-Lizenzgebühr nicht, dem SEP-Patentinhaber im Rahmen der Rechnungslegung weitergehend auch Gewinnangaben, letztlich also Angaben zu den zurechenbaren Gestehungskosten, zuzuerkennen. Dies begründet die Kammer damit, dass die Erforderlichkeit von Gewinnabgaben zur Beurteilung der FRAND-Grenzen nicht von vornherein verneint werden kann.

Schließlich lehnt das LG Mannheim die Aussetzung des Rechtsstreits ab, wobei es insoweit betont, dass von einem „herabgesetzten Aussetzungsmaßstab“ auszugehen ist, wenn nur (noch) finanzielle Ausgleichs- und korrespondierende Auskunfts-/Rechnungslegungsansprüche zur Entscheidung stehen. Das LG Mannheim begründet den herabgesetzten Aussetzungsmaßstab mit dem überzeugenden Argument, dass für diese Fälle das Durchsetzungsinteresse des SEP-Patentinhabers im Rahmen der Abwägung geringer zu veranschlagen ist als das Interesse des Verletzers an widerspruchsfreien Entscheidungen sowie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes.

Konsequenz

Auch nach der vorliegenden Entscheidung des LG Mannheim ist es SEP-Patentinhabern anzuraten, ihre FRAND-Obliegenheiten vor Klageerhebung zu erfüllen. Nach Klageerhebung bleibt jedenfalls in Mannheim lediglich die Möglichkeit das „Ruhen des Verfahrens“ zu beantragen, um die FRAND-Verfahrensobliegenheiten nachzuholen. Dies ist jedoch ein steiniger Weg, der zudem mit einer erheblichen Verfahrensverzögerung verbunden ist (da sich angesichts der Terminsituation der Patentstreitkammern regelmäßig ein neuer Verhandlungstermin nur nach erheblichem Vorlauf finden lässt). Eleganter ist es insoweit, die Klage zunächst auf Auskunft und Schadensersatz zu beschränken und parallel die FRAND-Verhandlungen zu führen. Sobald sich der Lizenzsucher „un-FRAND“ verhält, kann die Klage dann risikolos auf die weiteren Ansprüche (Unterlassung, Vernichtung, Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen) erweitert werden.

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