Zur Entscheidung
BGH Urt. v. 30.1.2018 – X ZR 27/16 – Wasserdichter Lederschuh
Relevante Rechtsnormen
Art 69 EPO, § 14 PatG
Sachverhalt
Geschützt durch das u.a. wegen fehlender Patentfähigkeit angegriffene Streitpatent war ein Verfahren zum Wasserdichtmachen von Leder und einem Schuh durch Aufpressen einer semipermeablen, mit einem Klebermuster versehenen Membran auf die inwendige Oberfläche des Leders. Anspruch 1 lautete. „Process for waterproofing leather (1), which comprises pressing on the internal surface of the leather (1) at least one semi-permeable membrane (2)…”, während u.a. Anspruch 10 gerichtet war auf „Leather (1) waterproofed by a process according to one of the preceding claims,…” und Anspruch 12 auf “Shoe characterized in that it comprises an upper of waterproofed leather according to claim 10 or 11”
Der BGH hatte sich im Rahmen der Berufung und des dort erfolgreich mit Hilfsantrag 1 verteidigten Anspruch 1 “Shoe characterized in that it comprises an upper of waterproofed leather (1) or a sole of waterproofed leather (1), wherein the leather (1) is waterproofed by a process, which comprises pressing on the internal surface of the leather …” mit der Auslegung insbesondere des Merkmals „on the internal surface of the leather“ zu befassen, weil das Patentgericht angenommen hatte, dass dieses keine Aussage darüber zulasse, welche Seite des Leders gemeint sei. Das war aber im Hinblick auf den maßgeblichen Stand der Technik und eine dort gelehrte Beschichtung eines Lederoberteil von außen von erheblicher Bedeutung. Das BPatG hatte die Auffassung vertreten, für das Verfahren sei es unerheblich, zu welcher Lederfläche hin orientiert die Membran auf das Leder gepresst werde, und auch die Ansprüche, in denen ein Leder bzw ein Lederschuh beansprucht werde, seien vor diesem Hintergrund nicht anders auszulegen. Unerheblich sei deshalb, dass im Stand der Technik nicht offenbart werde, den Film auf die Innenfläche des Leders aufzupressen.
Bisherige Rechtsprechung
Die vorliegende Entscheidung knüpft an die st. Rspr zur Bedeutung von Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben in Vorrichtungsansprüchen an, die dem Fachmann nur angeben, wie er die im Patentanspruch genannten räumlich-körperlichen Merkmale z. B. hinsichtlich ihrer Größe auszubilden hat (BGH GRUR 1981, 259 – Heuwerbungsmaschine) oder denen im Gegensatz zur Patentkategorie des Verwendungsanspruchs (siehe hierzu Auswertung BGH GRUR 2017, 681 -Cryptosporidium) nur die Bedeutung eines Geeignetheitskriteriums zukommt und die „deshalb regelmäßig nur die Aufgabe (haben), den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die im Patentanspruch genannten räumlich-körperlichen Merkmale erfüllt, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist“ (BGH GRUR 2009, 837 Bauschalungsstütze; GRUR 2006, 923 Luftabscheider für Milchsammelanlage).
Zugleich bestätigt der BGH frühere Ausführungen zur Bedeutung von Zweckangaben bei Verfahrensansprüchen, wie er es in der lesenswerten Entscheidung „Bildunterstützung bei Katheternavigation“ (BGHZ 187, 20 = GRUR 2010, 1081) zum Arbeitsverfahren bereits herausgearbeitet hat und wonach grundsätzlich auch für in Verfahrensansprüchen enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben nichts anderes gilt.
Entscheidungsgründe
Der BGH ging mit dem BPatG davon aus, dass mit dem Verfahrensanspruch weder die Herstellung eines Schuhs oder Kleidungsstücks beansprucht war, wies aber darauf hin, dass der Bezug auf die inwendige Oberfläche eine Zweckangabe (wohl eher eine Funktionsangabe) darstelle. Für das Verständnis dieses Merkmals in Anspruch 1 ergebe sich aus dieser deshalb nur, dass das mit der Membran versehene Leder geeignet sein muss, zweckentsprechend, d.h. mit der so bearbeiteten Oberfläche auf der Innenseite des Schuhs oder Kleidungsstücks, verwendet zu werden. Der 1. Leitsatz lautet deshalb:
„Ist nach dem unter Schutz gestellten Verfahren ein Halbzeug in bestimmter Weise zu bearbeiten (hier: eine Lederseite in bestimmter Weise auszurüsten), beschränkt der Zweck der Bearbeitung nur insoweit den Gegenstand des Verfahrens, als das bearbeitete Halbzeug geeignet sein muss, dem Zweck entsprechend weiterverarbeitet zu werden.“
Damit trifft der BGH zum Verfahrensanspruch bei einem Bearbeitungsverfahren dieselben Folgerungen wie für die Beurteilung eines Sachanspruchs, der eine derartige Zweckbestimmung enthält; er legt nicht den Gegenstand der Bearbeitung fest, andererseits ist es aber auch kein „Nichtmerkmal“, welches keine Abgrenzung zum Stand der Technik zu leisten vermag. Im Ergebnis vermag deshalb das Wasserdichtmachen auf der Innenseite des Leders als Geeignetheitskriterium insoweit eine Abgrenzung zu schaffen als es sich von Verfahren unterscheidet, welche eine solche technische Lösung nicht zulassen.
Anders verhalte es sich bei dem nach Hilfsantrag 1 beanspruchten und verfahrensgemäß hergestellten Schuh, bei dem also auf der inwendigen Oberfläche (internal surface) wenigstens eine semipermeable Membran aufgepresst worden ist und das so gefertigte Halbzeug (Leder plus Membran) zum Schuh weiterverarbeitet wird. Der BGH formuliert insoweit den zweiten Leitsatz:
„Stellt ein Sachanspruch das unter Verwendung des Halbzeugs hergestellte Fertigprodukt unter Schutz, erfasst er regelmäßig nur einen Gegenstand, bei dem das Halbzeug dem Zweck entsprechend weiterverarbeitet worden ist.“
Der BGH ergänzt in der Begründung diesen Leitsatz um die nicht unwichtige Aussage „…und demgemäß die Wirkung erreicht, die erfindungsgemäß erreicht werden soll“. Das erscheint folgerichtig, da jetzt die Funktionsangabe für die Fertigung des Halbzeugs „on the internal surface of the leather“ des erfindungsgemäßen Verfahrensanspruchs ein weiteres Anspruchsmerkmal einer konkreten Vorrichtung bildet. Der X. Senat bemerkt hierzu: “Da der Schuh das nach dem erfindungsgemäßen Verfahren bearbeitete …Lederteil umfasst, ist die inwendige Oberfläche nach Merkmal 2 die inwendige Oberfläche des Lederoberteils oder der Ledersohle des Schuhs.“
Konsequenz
Stellt sich abschließend noch die – allerdings nicht ausdrücklich erörterte und durch Auslegung zu klärende – Frage – ob damit im Ergebnis für den nebengeordneten Vorrichtungsanspruch und den geschützten „Schuh“ infolge seines Rückbezugs auf den Verfahrensanspruch ein einfacher „Product-by-Process-Vorrichtungsanspruch“ vorliegt, „der allein der Kennzeichnung des patentgemäßen Erzeugnisses dient und keine Beschränkung auf Erzeugnisse zum Ausdruck bringt, die tatsächlich mittels des Verfahrens hergestellt worden sind“ (BGHZ 122, 144 – Tetraploide Kamille); danach ist der Schuh nicht auf ein nach Anspruch 1 hergestelltes und weiterverarbeitetes Halbzeug als Bestandteil festgelegt (zu grds Bedenken mittels eines Product-by-Process-Anspruchs über ein Zwischenerzeugnis des Verfahrens nur eine relative Festlegung der körperlichen Eigenschaften des Endprodukts vorzunehmen BGH Urt. v. 8.6.2010, X ZR 71/08 – Substanz aus Kernen oder Nüssen).
Oder aber ist der Anspruch als ein „Product-by-Process“-Vorrichtungsanspruch im engeren Sinne zu lesen, der das Erzeugnis auf den zu seiner Kennzeichnung angegebenen Verfahrensweg, hier die erfindungsgemäße Fertigung des Halbzeugs, festlegt. Eine solche Lesart und Auslegung wird in Lit. und Rspr. regelmäßig verneint und zwar auch für rückbezogene Erzeugnisansprüche (so BGH GRUR 2015, 361 – Kochgefäß, Verletzungsverfahren betreffend; ferner BGH Urt. v. 8.6.2010, X ZR 71/08 – Substanz aus Kernen oder Nüssen, allerdings mit der Formulierung „herstellbar“; GRUR 2001, 1129 – Zipfelfreies Stahlband; BPatG Urt. v. 3.4.2008, 3 Ni 33/06; ferner Keukenschrijver/Busse PatG 8. Aufl. § 34 Rn 40; Meier-Beck GRUR 2011, 857, 864). Der zweite Leitsatz könnte sich zwar auf ein derartiges Verständnis lesen lassen, unterschlägt aber dessen o.g. in den Urteilsgründen wiedergegeben Fortsetzung und die weiteren Ausführungen, welche auf die Wirkung, also die gegenständliche Kennzeichnung des Erzeugnisses abstellen und damit auf ein Verständnis im ersteren Sinne.