Das in den USA schon lange verbreitete Influencer Marketing wird auch in Deutschland immer beliebter. Influencer Marketing bezeichnet Werbemaßnahmen von Unternehmen, die ihre Werbung nicht unmittelbar selbst verbreiten, sondern auf sogenannte Influencer zurückgreifen. Influencer sind Personen, die durch eine starke digitale Präsenz mit vielen Followern (d.h. Fans) eine hohe Werbereichweite im Internet erzielen. Influencer sind in sozialen Netzwerken (wie z.B. Instagram) oder mit eigenen Videokanälen auf der Videoplattform YouTube aktiv und veröffentlichen dort Beiträge und Videos, die eine überdurchschnittlich hohe Resonanz erzielen.
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Viele Influencer legen nicht offen, dass ihre Beiträge bezahlte Werbung für ein Unternehmen beinhalten. Oft unterlassen Influencer dies schlicht aus Unwissenheit. Manch andere Influencer verschleiern den Werbecharakter sogar bewusst, um eine noch größere Werbewirkung zu erzielen: Die Follower sollen den Eindruck bekommen, von ihrem „Star“ einen besonderen Tipp zu erhalten.
Diese Werbepraxis, die bisher in der deutschen Rechtsprechung kaum beachtet wurde, wurde nunmehr in zwei separaten Gerichtsverfahren gleich aus mehreren Gründen als unzulässig eingestuft. Rechtlich ist dies nicht überraschend. Dennoch sind die Influencer vor Gerichten bisher kaum belangt worden. Es ist wahrscheinlich, dasss sich das in Zukunft stark ändern wird.
Entscheidung
OLG Celle, 13 U 53/17, Urteil vom 08.06.2017, LG Hannover, 23 O 5/17, Urteil vom 08.03.2017 und LG Hagen, 23 O 30/17, Urteil vom 13.09.2017 (veröff. in Entscheidungsdatenbanken der Länder NRW und Niedersachsen)
Relevante Rechtsnormen
§§ 3, 3a, 5a Abs. 2, 4, 6 i.V.m. 8 UWG, § 6 Abs. 2 TMG, § 58 RStV#
Sachverhalt
Im ersten der beiden Verfahren urteilte das LG Hagen gleich zu mehreren Instagram-Beiträgen einer Influencerin. Neben einigen wenigen privaten Fotos besteht der überwiegende Teil der Beiträge auf dem Instagram-Profil der Influencerin aus Produktwerbung: Die Influencerin zeigt Fotos von sich mit diversen Produkten (Handtaschen, Uhren, Schmuck, Bekleidung, Nahrungsmittel) und benennt dabei im Kommentar zum Bild die Hersteller der gezeigten Produkte (durch @-Links oder #-Tags). Ein Hinweis auf den werblichen Charakter der Beiträge (oft auch „bezahlte Partnerschaft“ genannt) fehlte regelmäßig.
Das zweite Verfahren vor dem LG Hannover und dem OLG Celle als Berufungsinstanz wurde ebenfalls durch Influencer-Beiträge ausgelöst. In einem Instagram-Beitrag wurde eine Rabattaktion der Drogeriekette Rossmann mit folgendem Text angekündigt:
„…Guten Abend! An alle Sparfüchse: AUFGEPASST! NUR morgen gibt es in allen Filialen von …
& im Online Shop 40% Rabatt auf Augen Make-Up! Viel Spaß beim Einkaufen! Abbildung … Eyes: RdeL Young Super Star Mascara
& Maybelline New York The Rock Nudes Lidschatten Palette
#blackfriyay #ad #eyes #shopping #rabatt #40prozent“
Erst in der fünften Zeile und als zweites Hashtag befand sich der Hinweis „#ad“, einer Kurzform für „advertisement“.
In beiden Fällen hat die Wettbewerbszentrale die Verfahren nach erfolgloser Abmahnung eingeleitet.
Entscheidungsgründe
Das erste Verfahren
Das LG Hagen stellt zunächst fest, dass bezahlte Beiträge von Influencern geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG seien. Denn Influencerin beabsichtigen, den Absatz der beworbenen Unternehmen zu fördern. Damit ist klar, dass sich die Beiträge von Influencern an den Maßstäben des Wettbewerbsrechts messen lassen müssen – und im konkreten Fall diesen Maßstäben nicht gerecht werden. Denn das LG Hagen sah u.a. einen Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG:
Unlauter handelt gem. § 5a Abs. 6 UWG, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Das LG Hagen stellte fest, dass das Social Media Profil der Influencerin den Eindruck eines Mo- deblogs erwecke. Aus den Gesamtumständen würde sich nicht ergeben, dass eigentlich primär Werbung für Produkte gemacht werden solle. Die Verwendung von @-Links und Hashtags (#) für die Hersteller- und Produktnamen ändere daran nichts: Der werbliche Charakter werde dadurch nicht offensichtlich, wie die Kammer aus eigener Anschauung feststellte. Wie das Gericht ferner aus eigener Sachkunde annahm, seien unter den Followern der Influencerin auch diverse Minderjährige, für die der Werbecharakter noch schwieriger zu erkennen sei (siehe zum Maßstab für Minderjährige § 3 Abs. 4 S. 2 UWG).
Ferner stellte das LG Hagen einen Verstoß gegen §§ 6 Abs. 2 TMG i.V.m. 5a Abs. 2 und 4 UWG fest: Das Instagram-Profil der Influencerin sei elektronische Post i.S.d. § 6 Abs. 2 TMG. Das Gericht wertete das Instagram-Profil als eine Art Modeblog, in dem die Influencerin vorgebe, sich mit ihren Followern über Mode zu unterhalten. Tatsächlich hätten die Beiträge der Influencerin aber nur das Ziel, die Follower zu einem Besuch der per @ oder # verlinkten Unternehmensseiten zu bewegen. Dieser kommerzielle Charakter werde verschleiert.
Auch verstoße die Influencerin mit ihrem Instagram-Profil gegen §§ 58 Abs. 1, 3 RStV (NRW) i.V.m. 5a Abs. 4 UWG: Das LG Hagen wertete das Instagram-Profil als Telemedium i.S.d. § 1 RStV. Damit müsse Werbung klar erkennbar und vom übrigen Inhalt eindeutig getrennt sein, was nicht der Fall sei. Schließlich nahm das LG Hagen noch produktspezifische Verstöße gegen § 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Health-Claims-Verordnung und § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b) LIMV an, da die Influencerin einem Produkt Entgiftungsqualität zugesprochen hatte (sie verwendete das Stichwort „detox“).
Das zweite Verfahren
Sowohl das LG Hannover als auch das OLG Celle bewerteten den streitgegenständlichen Instagram-Beitrag ebenfalls am Maßstab des § 5a Abs. 6 UWG. Das LG Hannover lehnte einen Verstoß aber ab: Aus den Gesamtumständen sei der kommerzielle Zweck unmissverständlich und auf den ersten Blick sofort erkennbar. Dabei stellte das LG Hannover nicht auf den deutschen Durchschnittsverbraucher ab, sondern beurteile den Instagram-Beitrag am Maßstab der mit den medienspezifischen Besonderheiten vertrauten Verbraucher, insbesondere also „junge kosmetikinteressierte Mädchen und Frauen“.
Für diese Verbraucher sei der werbliche Charakter auf Grund mehrerer Hinweise offensichtlich: Das professionelle Foto, die Verwendung des Begriffs „Sparfüchse“, die themenbezogenen Hashtags #rossmann #eys #shopping #rabatt #40prozent und die Verwendung des Hashtags #ad. Insbesondere das Hastag #ad sei ausreichend, da der hier anzuwendende spezielle Verbraucherkreis des Englischen mächtig sei. Die Verwendung des Begriffs „Anzeige“ sei daher nicht erforderlich. Schließlich sei den durchschnittlichen Followern auch bekannt, dass eine Vielzahl der Beiträge von Unternehmen bezahlt würden. Aus diesen Gründen lehnte das LG Hannover auch einen Verstoß gegen das TMG ab.
Schließlich sei auch das RStV nicht verletzt: Es gebe schon gar keinen redaktionellen Inhalt, von dem sich die Werbung abgrenzen könne. Denn das gesamte Instagram-Profil bestehe nur aus Werbung.
Das OLG Celle sah dies anders: Das Hashtag #ad sei nicht deutlich und nicht auf den ersten Blick erkennbar. Es sei gut möglich, dass die Verbraucher den Hashtag in der fünften Zeile nicht wahrnehmen. Dafür spricht auch, dass Instagramm Einträge automatisch verkürzt und der hintere Teil des Eintrags erst durch einen Klick auf „mehr“ abgerufen werden kann. Das OLG Celle lies dabei explizit offen, ob der Hashtag #ad an sich überhaupt geeignet ist, ausreichend auf eine Werbung hinzuweisen.
Ferner stellte das OLG Celle fest, dass eine Kennzeichnung des kommerziellen Charakters nur dann entbehrlich sei, wenn sich der kommerzielle Charakter auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel ergebe. Es genüge nicht, wenn erst auf Grund einer analysierenden Betrachtung der kommerzielle Charakter erkennbar sei. Denn dann habe der Leser schon unter Verkennung des Umstands, dass es sich um Werbung handelt, eingehende Beachtung geschenkt (BGH, Urteil vom 31. Oktober2012, I ZR 205/11 – Preisrätselgewinnauslobung V). Genau das sei hier der Fall: Die Qualität des Fotos gebe in Alleinstellung keinen Aufschluss über den kommerziellen Charakter. Die diversen Hashtags und die Verwendung des Begriffs „Sparfüchse“ zeigten den kommerziellen Charakter zwar. Dieser werde aber erst offensichtlich, nachdem der Leser den gesamten Text wahrgenommen habe. Der Instagram-Beitrag verstoße damit gegen § 5a Abs. 6 UWG.
Konsequenz
Die Entscheidungen zeigen, dass das Influencer Marketing die gesetzlichen Regelungen nicht mehr länger ohne Risiko ignorieren kann. Unternehmer und Influencer sind gut beraten, auf den werblichen Charakter eines Beitrags hinzuweisen. Denn neben Abmahnungen durch Wettbewerber und Wettbewerbszentralen drohen auch Bußgelder, die u.a. von den Medienanstalten verhängt werden können. Insbesondere die Unternehmen sollten auf eine Einhaltung der gesetzlichen Regelungen pochen: Denn diese trifft ebenso die Haftung für Beiträge der Influencer (jedenfalls nach dem UWG).
Allerdings besteht noch keine Rechtssicherheit darüber, wie auf den werblichen Charakter hingewiesen werden muss. Die Arbeitsgemeinschaften der Landesmedienanstalten empfehlen die Verwendung des Hashtags #ad. Ob dieser Hashtag für alle Verbraucher verständlich ist, erscheint auf den ersten Blick nicht sicher. Denn soziale Medien werden auch von (minderjährigen) Verbrauchern besucht, die nur über geringe Englischkenntnisse verfügen. Zudem ist dieser Hashtag so kurz, dass er höchstwahrscheinlich nicht ausreichen wird, eine Werbung klar zu kennzeichnen. Die aktuelle Unsicherheit können Unternehmen und Influencer nur umgehen, in dem sie einen deutschen Begriff, wie z.B. #anzeige oder #werbung (oder schlicht: „Werbung“), am Anfang des Texts platzieren. Auf den ersten Blick mag dies wenig attraktiv wirken. Eine Durchsicht der bereits korrekt markierten Beiträge zeigt aber: Die Follower sind auch dann interessiert, wenn der Werbecharakter klar kommuniziert wird.
Auch bei internationaler Influencer Werbung sind Unternehmen gut beraten, die nationalen Rechtsordnungen zu beachten. Das deutsche UWG findet auf internationale Werbung jedenfalls dann Anwendung, wenn sich die Werbung bestimmungsgemäß auch in Deutschland auswirkt. Kurzum: Wer auch in Deutschland eine Werbewirkung erzielen will, sollte sich an die deutschen Regelungen halten.
Aus prozessualer Sicht zeigt sich schließlich, dass selbst das einstweilige Verfügungsverfahren nicht schnell genug ist: Beiträge von Influencer haben selten eine Haltbarkeit von mehr als 24 Stunden. Danach geht der Beitrag in der Flut anderer Beiträge unter. Die Werbewirkung ist dann platziert. Wettbewerber werden nur nachträglich die Unzulässigkeit feststellen lassen können.
Dass das Interesse an Influencer Marketing trotz dieser rechtlichen Themen nach wie vor ungebrochen ist, zeigt sich an diversen Entwicklungen: Die sozialen Netzwerke führen selbst Möglichkeiten zur Kennzeichnung ein (so z.B. bei Instagramm). Auch die Gründung des Bundesverbands Influencer Marketing (BVIM, http://bvim.info/) ist ein klares Signal: Neben reiner Lobbyarbeit soll auch mit den Landesmedienanstalten zusammen gearbeitet werden. Schließlich wird die neue europäische Richtli- nie für audiovisuelle Mediendienste voraussichtlich diverse Regelungen enthalten, die Einfluss auf die Werbekennzeichnung haben werden.