Zigarettenpapier

0
1945
Aufrufe
© klimkin pixabay.com
 Gewinnen Sie heute
© Carl Heymanns Verlag
C-Book
Chandler/ Meinders
Carl Heymanns Verlag
Leider ist der Zeitraum für diese Gewinnmöglichkeit abgelaufen.

Zur Entscheidung

OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2017 I-2 U 39/16 (unveröff.)

Relevante Rechtsnormen

Art. 69 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG, §§ 138 Abs. 4, 712 ZPO

Sachverhalt

Nach ihrer eigenen (von den Beklagten mit Nichtwissen bestrittenen) Behauptung ist die Klägerin Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am Klagepatent. Bereits zuvor hatte die Patentinhaberin an dem Klagepatent zwei einfache Lizenzen vergeben, und zwar an ein US- amerikanisches sowie an ein britisches Unternehmen. Beide Lizenzverträge sollten ungeachtet der Lizenzvergabe an die Klägerin in der Weise fortbestehen, dass die Klägerin anstelle der Patentinhaberin in die Verträge eintritt.

Das Klagepatent betrifft ein Zigarettenpapier mit verringerter Entzündungsneigung, welches von selbst verlischt, wenn die Zigarette z.B. irgendwo abgelegt und nicht mehr an ihr gezogen wird. Zu diesem Zweck ist das hochporöse Zigarettenpapier streifenweise mit einem Überzug versehen, der die Sauerstoffdurchlässigkeit der Papierbahn in den behandelten Bereichen so weit herabsetzt, dass die Tabakglut, weil nicht mehr hinreichend Sauerstoff zu ihr durchdringt, erlischt. Verantwortlich für den Porenverschluss der Papierbahn sind Feststoffe, die in der Auftragsmasse enthalten sind, welche als „Lösung“ vorliegen soll.

Rechtsbestandsangriffe gegen das Klagepatent sind bislang erfolglos geblieben. Zuletzt hat die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes das Schutzrecht mit einer geringfügigen Einschränkung aufrechterhalten. In seiner Entscheidung hat die Beschwerdekammer in einem obiter dictum die – nicht näher begründete – Auffassung vertreten, dass das Klagepatent mit „Lösung“ nur molekular-disperse Aufbereitungen meine. Der vom Verletzungsgericht eingeschaltete Sachverständige ist demgegenüber zu der Ansicht gelangt, dass als „Lösung“ auch Suspensionen zu verstehen sind, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform verwendet wurden.

Im gemeinschaftlichen Zusammenwirken haben die Beklagten zu 1) und 2), bei denen es sich um konzernverbundene Unternehmen handelt, in der Bundesrepublik Deutschland Zigarettenpapier vertrieben, die nach Auffassung der Klägerin patentbenutzend sind. Das die Auftragsmasse als Suspension vorliege, habe keine Bedeutung, weil der Begriff der „Lösung“ weit zu verstehen sei und deshalb auch solche Auftragszusammensetzungen umfasse, in denen die Feststoffe schwebend verteilt vorlägen. Die Beklagte zu 3) ist Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) und 2), als solche jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestellt worden, nämlich bei der Beklagten zu 1) im Jahr 2010 und bei der Beklagten zu 2) im Jahr 2014.

Entscheidungsgründe

1. Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen darin, dass der Begriff „Lösung“ auch Suspensionen umfasst, wohl wissend, dass seine Auffassung im Widerspruch zu dem Verständnis der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes steht, welche die technische Lehre des Klagepatents auf molekular-disperse Lösungen beschränkt sieht.

a) Zunächst ist der Senat an die Patentauslegung der Rechtsbestandsinstanzen nicht gebunden, nicht einmal an eine solche, die der Bundesgerichtshof in einem parallelen Nichtigkeitsberufungsverfahren über das Klagepatent vertreten hätte (BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge). Vielmehr sind die Verletzungsgerichte gehalten, sich ein eigenes Urteil über das fachmännische Verständnis der Merkmale des Patentanspruchs zu bilden und seiner Entscheidung über die Verletzungsklage zugrunde zu legen (BGH, a.a.O.). Insofern würde es einen Rechtsfehler bedeuten, wenn sich der Senat kurzerhand dem Standpunkt der Technischen Beschwerdekammer angeschlossen hätte; vielmehr bestand die Pflicht zu eigener Beurteilung und, sofern dem Verletzungsgericht die erforderliche technische Sachkunde in eigener Person fehlt, zur Sachaufklärung. Dem ist der Senat durch die erfolgte Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgekommen (§ 286 ZPO). Sie bedingt, dass selbstverständlich auch die Ergebnisse der durchgeführten Aufklärungsmaßnahme für die gerichtliche Entscheidungsfindung verwertet werden.

Unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse ist der Senat davon überzeugt, dass Suspensionen aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns dem Wortsinn des Patentanspruchs unterfallen. Maßgeblich dafür sind die – im Folgenden darzulegenden – detaillierten Erwägungen des Sachverständigen, denen gegenüber die anderslautende Auffassung der Technischen Beschwerdekammer schon deshalb nicht den Ausschlag geben kann, weil von ihr keine näheren, am Inhalt der Klagepatentschrift und/oder am Sinn und Zweck der Erfindung orientierten Gründe dafür benannt werden, dass der Fachmann den Begriff der „Lösung“ auf molekular-disperse Systeme – und sonst nichts – liest.

Erst Recht kommt eine Vernehmung der Beschwerdekammermitglieder als Zeugen nicht in Betracht, wie sie von den Beklagten begehrt wird. Der dahingehende Beweisantritt verkennt bereits im Grundsatz, dass die in das Wissen der besagten Personen gestellten Aussagen zum Verständnis des Durchschnittsfachmanns vom Begriff „Lösung“ im Rahmen des Klagepatents keine Tatsachen sind, die einem Zeugenbeweis zugänglich wären. Ebenso wenig trifft es zu, dass vor einer Entscheidung des Senats die gegensätzlichen Auffassungen „in Einklang gebracht werden müssen“. Der Senat hat die Beschwerdekammer im Vorfeld der Begutachtung in der Hoffnung um eine fundierte Stellungnahme gebeten, dass die dortigen technischen Fachleute diejenigen Argumente liefern, die für eine Entscheidung über die Verletzungsklage erforderlich sind. Nachdem im Rechtsbestandsverfahren bedauerlicherweise keine eine Begutachtung ersetzenden Erkenntnisse zum Begriff „Lösung“ beigesteuert worden sind, sondern – ohne jede Begründung – bloß der Standpunkt wiederholt worden ist, Suspensionen seien keine patentgemäßen Lösungen, war die Einholung eines Sachverständigengutachtens unumgänglich. Dessen Ergebnisse haben dementsprechend auch die Entscheidungsgrundlage zu bilden, völlig unabhängig davon, ob mit ihnen die pauschal geäußerte Auffassung der Beschwerdekammer in Übereinstimmung steht oder nicht.

b) Soweit die Patentinhaberin im Rechtsbestandsverfahren Bemerkungen gemacht hat, wonach Suspensionen nicht als Lösungen im Sinne des Klagepatents zu betrachten sind, handelt es sich zwar um sachkundige Äußerungen, die indiziellen Wert für die richtige Auslegung des Klagepatents haben. Da auch der Schutzrechtsinhaber subjektiv im Irrtum über das zutreffende Verständnis der Anspruchsmerkmale seines Patents sein kann, welches rein objektiv zu bestimmen ist, und divergierende Argumentationen zum Inhalt eines Merkmals überdies dadurch motiviert sein können, im laufenden Rechtsbestandsverfahren einem gewissen Stand der Technik ausweichen zu können, rechtfertigen es die von den Beklagten ins Feld geführten Bemerkungen der Patentinhaberin es jedenfalls nicht, das vorstehend umfangreich erläuterte Begriffsverständnis zu verwerfen.

Der Klägerin ist es aus Rechtsgründen nicht versagt, sich gegenüber den Beklagten darauf zu berufen, dass Suspensionen als patentgemäße Lösungen in Betracht kommen. Mehr als indizielle Bedeutung haben Äußerungen im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren nur in einer einzigen Sonderkonstellation, nämlich dann, wenn der Patentinhaber (z.B. in Bezug auf eine bestimmte mögliche Ausführungsform der Erfindung) schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat, die Beschränkung Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents war und der spätere Verletzungsbeklagte bereits am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren teilgenommen hat (BGH, GRUR 1993, 886 – Weichvorrichtung I; BGH, Mitt 1997, 364 – Weichvorrichtung II). Unter derartigen Umständen erfolgt keine Reduzierung des Schutzbereichs; auf rein verfahrensrechtlicher Ebene ist die Erklärung des Patentinhabers aber von Belang, weil angenommen wird, dass die spätere Erhebung einer Verletzungsklage gegen denjenigen, der am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren beteiligt war, wegen einer von der schutzbereichsbeschränkenden Erklärung erfassten Ausführungsform ein treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB) darstellt. In Bezug auf jeden anderen verfahrensunbeteiligten Dritten kann das Patent demgegenüber in seinem vollen Umfang (d.h. ohne Rücksicht auf die schutzbereichsbeschränkenden Erklärungen des Patentinhabers) durchgesetzt werden. Wichtig im vorliegenden Zusammenhang ist, dass noch nicht jede Äußerung des Patentinhabers zum Stand der Technik, der dem Klagepatent entgegengesetzt wird, eine schutzbereichsbeschränkende Erklärung darstellt. In aller Regel wird es sich bloß um eine Meinungsäußerung handeln, die – auch wenn die Einspruchsabteilung oder das BPatG sie aufgreifen – keinen Einwand aus Treu und Glauben hervorbringen kann (BGH, Mitt 1997, 364, 365 – Weichvorrichtung II). Erforderlich ist demgegenüber eine Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Schutzrechtsinhabers erkennen lässt, die Reichweite seines Patents in Bezug auf eine bestimmte Ausführungsform abzugrenzen. Neben dem Wortlaut der Erklärung sind alle Begleitumstände sowie die Interessenlage zu berücksichtigen, unter der die Äußerung des Patentinhabers gemacht worden ist.

Vorliegend ist schon keine Verzichtserklärung der Patentinhaberin zu erkennen. Diejenigen Äußerungen, auf die die Beklagten abheben, mögen dahin aufzufassen sein, dass Suspensionen dem Patentgegenstand nicht gefährlich werden können, weil sich das Klagepatent mit Lösungen befasst. Selbst wenn insoweit dem Standpunkt der Beklagten gefolgt wird, handelt es sich um nicht mehr als übliche Diskussionsbeiträge eines Schutzrechtsinhabers, mit denen er einen bestimmten seinem Patent entgegen gehaltenen Stand der Technik als irrelevant nachzuweisen versucht. Irgendwelche Anhaltspunkte, die für den Angreifer berechtigterweise den Eindruck hätten vermitteln können, dass der Patentinhaberin – über eine ihr günstige Argumentation im laufenden Rechtsbestandsverfahren – daran gelegen sein könnte, den Schutzbereich ihres Patents rechtsverbindlich einzuschränken, sind nicht ersichtlich. Abgesehen davon ist von den Beklagten auch nicht dargetan, dass die Aufrechterhaltung des Klagepatents im europäischen Einspruchsverfahren kausal darauf beruht, dass Suspensionen als außerhalb des Erfindungsgegenstandes liegend angesehen worden sind. Um dies aufzuzeigen, wäre es Sache der Beklagten gewesen, z.B. einen Stand der Technik zu benennen, der Suspensionen betrifft und dessen Berücksichtigung wegen seines übrigen Inhalts zur Folge gehabt hätte, dass in Bezug auf das Klagepatent die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit zu verneinen gewesen wäre. Derartigen Sachvortrag haben die Beklagten nicht geleistet.

2. Die Auskunfts- und Schadenersatzhaftung der Beklagten zu 3) ist auf diejenigen Zeiträume zu beschränken, während der sie als Geschäftsführerin in verantwortlicher Position bei den Beklagten zu 1) und 2) tätig gewesen ist, wobei die jeweiligen Bestellungsdaten zur Geschäftsführerin und nicht die späteren Eintragungsdaten im Handelsregister maßgeblich sind. Angesichts des Registerinhalts ist insoweit zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte zu 3) – bezogen auf den im Rechtsstreit relevanten Zeitabschnitt – mit Wirkung zum 01.09.2010 bei der Beklagten zu 1) und am 14.01.2014 bei der Beklagten zu 2) als Geschäftsführerin bestellt worden ist. Die Beklagte zu 3) ist dabei auch für die Zeit vor ihrer Geschäftsführerbestellung bei der Beklagten zu 2) in Haftung zu nehmen. Die Beklagten zu 1) und 2) und ihre jeweiligen Geschäftsführer haben das Klagepatent als Mittäter verletzt, was eine wechselseitige Zurechnung aller Tatbeiträge und eine gesamtschuldnerische Haftung aller Beteiligten für jede im gemeinschaftlichen Zusammenwirken vorgenommene Verletzungshandlung zur Folge hat. Die Beklagte zu 3) ist deshalb seit ihrer Geschäftsführerbestellung bei der Beklagten zu 1) nicht nur für diejenigen Verletzungshandlungen verantwortlich, die unter ihrer Geschäftsführerschaft von der Beklagten zu 1) begangen worden sind, sondern – als Mittäterin neben dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Beklagten zu 2) – in gleicher Weise für dasjenige haftbar, was in Mittäterschaft von der Beklagten zu 2) und deren Geschäftsführung beigetragen wurde. Lediglich für von der Beklagten zu 2) in Alleintäterschaft begangene Patentverletzungen würde die Beklagte zu 3) nicht einzustehen haben, soweit sie vor ihrer Geschäftsführerbestellung bei der Beklagten zu 2) vorgefallen sind.

  1. Soweit die Verschuldenshaftung im Raum steht, trifft die Beklagten zumindest der Vorwurf einer fahrlässigen Schutzrechtsverletzung. Zwar haben die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes und die Technische Beschwerdekammer – apodiktisch und ohne dezidierte Auslegung des Klagepatents – die Auffassung vertreten, dass Suspensionen keine Lösungen darstellen; demgegenüber hatte jedoch der Sachverständige des selbständigen Beweisverfahrens bereits, ausführlich begründet, die gegenteilige Auffassung vertreten. Von daher war die Verletzungsfrage bestenfalls ungeklärt, womit ein Verschuldensvorwurf nicht in Fortfall geraten kann. Das gilt umso mehr, als – wie die sachverständige Begutachtung durch den Senat ergeben hat – eine eingehende Befassung mit dem Klagepatent, zu der die Beklagten als Fachleute auf dem einschlägigen Gebiet unschwer in der Lage waren, zu dem eindeutigen Resultat einer Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform führt. Unter diesen Umständen kann die Beklagten auch nicht entlasten, dass sich die Patentinhaberin zur Rechtsverteidigung gegenüber dem unternommenen Angriff auf ihr Klagepatent auf den ihr günstigen Standpunkt gestellt hat, Suspensionen seien vom Schutzrecht nicht erfasst. Mangels eines Verzichts ist allein die objektive Reichweite des Patentanspruchs (und nicht die subjektive Auffassung des Berechtigten vom Schutzbereich) von Interesse und deshalb auch für die Frage entscheidend, ob er von den Beklagten bei Beachtung der einzufordernden Sorgfalt hätte erkannt werden können.
  2. Die Klägerin ist als Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz aktivlegitimiert.

a) Von dem besagten Sachverhalt kann allerdings nicht schon deswegen ausgegangen werden, weil das pauschale Bestreiten der Beklagten angesichts des substantiierten, mit Dokumenten unterlegten Sachvortrages der Klägerin zu den behaupteten Lizenzierungsvorgängen unzureichend und demzufolge rechtlich unbeachtlich wäre. Die zur Aktivlegitimation der Klägerin herangezogenen Rechtsübertragungen haben sich gänzlich außerhalb der Einsichtssphäre der Beklagten (nämlich im Konzerngeflecht der Klägerin) abgespielt. Es handelt sich deshalb um Tatsachen, die nicht Gegenstand von eigenen Wahrnehmungen der Beklagten sind und die auch keine Vorgänge im Bereich von Personen betreffen, die unter Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung der Beklagten tätig geworden sind (vgl. BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import). Unter solchen Umständen erlaubt § 138 Abs. 4 ZPO das Bestreiten mit Nichtwissen. Diese prozessuale Befugnis besteht nicht nur gegenüber pauschalem Sachvortrag des darlegungspflichtigen Prozessgegners, sondern gleichermaßen dann, wenn der dem Bestreitenden verborgene Sachverhalt – von Beginn an oder während des Prozesses – dezidiert und gestützt von Dokumenten ausgebreitet wird. Weil dem so ist, kann es bei einem Bestreiten mit Nichtwissen auch dann verbleiben, wenn der Prozessgegner, der die der Wahrnehmung des Anderen entzogene Tatsache anfänglich bloß pauschal behauptet, im weiteren Verlauf des Rechtsstreits aber näher substantiiert. Das Gericht darf deshalb die betreffende Tatsache seiner Entscheidung nicht schon wegen unzureichenden Bestreitens durch den Gegner zugrunde legen, sondern ausschließlich dann, wenn es von ihr im Rahmen der freien Beweiswürdigung überzeugt ist. § 286 Abs. 1 ZPO ordnet insoweit an, dass das Gericht nach freier Überzeugung darüber zu befinden hat, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet, wobei es den gesamten Inhalt der Verhandlungen und das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu berücksichtigen hat. Aus der Formulierung „etwaigen“ folgt hierbei, dass der erforderliche Beweis im Einzelfall auch ohne eine förmliche Beweisaufnahme nach Maßgabe der §§ 371 ff. ZPO als geführt angesehen werden kann. Die gerichtliche Überzeugungsbildung kann sich folglich allein auf die Schlüssigkeit des Sachvortrages einer Partei und/oder auf deren Prozessverhalten und/oder das des Gegners stützen. Im Streitfall ist der Senat nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen der Parteien davon überzeugt, dass die die Klägerin begünstigenden Rechtsübertragungen stattgefunden haben.

b) Die der Klägerin erteilte Lizenz hat ausschließlichen Charakter.

Exklusiver Lizenznehmer ist – wie der Senat im vorausgegangenen Verfügungsverfahren bereits entschieden hat (Urteil vom 24.09.2015 – I-2 U 30/15) – nur ein solcher, der das Patent „ausschließlich“, d.h. unter Ausschluss jeglicher Dritter benutzen darf. Lediglich der Patentinhaber selbst soll sich eine Eigennutzung vorbehalten dürfen, wobei allerdings in einem solchen Fall der Erteilung einer Benutzungserlaubnis jedenfalls dann keine Ausschließlichkeitswirkung zukommt, wenn der Patentinhaber sein Benutzungsrecht nicht aufgibt und sich entweder das Recht zur Vergabe weiterer Lizenzen auf dem betreffenden Gebiet vorbehält oder derartige Lizenzen bereits vergeben hat, was bei der Erteilung weiterer Lizenzen beachtet wird.

Im Streitfall waren vor Abschluss des ausschließlichen Lizenzvertrages von der Patentinhaberin bereits einfache Lizenzen an Dritte vergeben worden, die nicht gekündigt wurden und die nach dem Willen aller Beteiligten auch weiterhin fortbestehen sollten. Die besagten einfachen Benutzungsrechte der beiden Lizenznehmer sind unverändert gültig; der Sukzessionsschutz gemäß § 15 Abs. 3 PatG hat keinen Eintritt des neuen Berechtigten (hier: der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin) in die bestehenden einfachen Lizenzverträge bewirkt. Gelten – wie hier – vor der Vergabe einer ausschließlichen Lizenz Dritten mit (zumindest teilweise) überdeckendem Geltungsbereich eingeräumte einfache Lizenzen fort, so darf der spätere Lizenznehmer das lizenzierte Patent nicht unter Ausschluss jeglicher Dritter benutzen, so dass er auch nicht Inhaber einer „ausschließlichen“ Lizenz geworden sein kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der ausschließliche Lizenznehmer anstelle des Patentinhabers als neuer Lizenzgeber wirksam in die mit den Dritten fortbestehenden einfachen Lizenzverträge eintritt. Hiervon ist auszugehen.

c) Der ausschließliche Lizenzvertrag sieht vor, dass die Lizenzgeberin der Klägerin „alle Rechte und Pflichten … als Lizenzgeber“ gemäß den abgeschlossenen einfachen Lizenzverträgen überträgt und dass die Klägerin „all diese Rechte und Pflichten“ akzeptiert. Hierin liegt eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme, bei der ein Dritter (die Klägerin) vollständig in die Stellung einer Vertragspartei (der Patentinhaberin) einrückt. Ein solcher Austausch der Vertragspartei ist kollisionsrechtlich nicht in Abtretung und Schuldübernahme aufzuspalten, sondern einheitlich anzuknüpfen. Wie stets ist dabei eine Rechtswahl der Parteien möglich und zu beachten. Ob sie vorliegend mit der in die Lizenzverträge aufgenommenen Vertragsklausel getroffen ist, dass der Lizenzvertrag einem bestimmten (näher bezeichneten) Recht unterliegt, kann letztlich dahinstehen. Sofern eine Rechtswahl für die Vertragsübernahme zu verneinen sein sollte, entscheidet dasjenige Recht, welches für den übernommenen Vertrag gilt. Die besagten Rechtsordnungen bestimmen nicht nur, ob eine Vertragsübernahme überhaupt möglich, sondern genauso, unter welchen Voraussetzungen sie wirksam ist.

  1. Dem Schutzantrag der Beklagten (§ 712 ZPO) ist nicht zu entsprechen, weil ihm ein überwiegendes Interesse der Klägerin an einer Vollstreckung des Urteils entgegensteht. Abgesehen davon, dass die Beklagten aufgrund der nach dem landgerichtlichen Urteil vorübergehend angeordneten einstweiligen Vollstreckungseinstellung inzwischen hinreichend Gelegenheit hatten, ihren Geschäftsbetrieb auf eine patentfreie Ausführungsform umzustellen, hat das Vollstreckungsinteresse der Klägerin auch deshalb Vorrang, weil die Schutzdauer des Klagepatents in einigen Jahren abläuft und sie deshalb, nachdem der Rechtsbestand in zwei Instanzen zu ihren Gunsten bestätigt worden ist und der Verletzungsprozess ebenfalls bereits in der Berufungsinstanz abgeschlossen ist, wobei angesichts der vom Senat eingeholten sachverständigen Unterstützung nur geringe Aussichten für eine Revisionszulassung durch den BGH und eine daran anschließende anderweitige Sachentscheidung bestehen, zu Recht auf dem Standpunkt steht, ihre zeitlich befristeten Monopolrechte zügig durchsetzen zu müssen.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here