Kampf um Warenformmarken | Schokoladenstäbchen III

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Autor des heutigen Beitrags ist Ulrich Hildebrandt. Er ist Rechtsanwalt in Berlin und speziell auf dem Gebiet des Markenrechts tätig. Er ist erfahrener Referent u.a. im Rahmen der Fachanwaltsausbildung und Lehrbeauftragter für Markenrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Dieser Beitrag ist Teil der Serie “One Decision – Two Perspectives”, bei der eine Entscheidung von zwei verschiedenen Autoren aufgearbeitet wird. Lesen Sie morgen dazu den zweiten Beitrag von Senta Bingener.

Der BGH hat ein Faible für Schokolade. Nicht nur Schoko-Goldhasen erfreuen sich dort besonderer Beliebtheit (BGH Goldhase I bis III), sondern auch Schokoladenstäbchen (BGH Schokoladenstäbchen I bis III). Auf der Internetseite des französischen Herstellers Revillon Chocolatier sehen die Leckereien aus wie im Beitragsbild dargestellt. Die Marke, um die sich der Streit dreht, ist schlichter:

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Entscheidung

BGH I ZB 39/16 v. 6.10.2017

Besprechung

Es ist eine Internationale Registrierung, die Schutz in einer ganzen Reihe von Ländern begehrt. Die Ämter in Spanien, Irland, Großbritannien, Schweden, Norwegen, Japan, China und der Türkei haben dem Schokoladenstäbchen den Schutz verweigert. Die Schweiz und Dänemark haben die Marke für die eigentlich interessanten Schokoladenprodukte zurückgewiesen und sie nur für Kakao eingetragen. Lediglich in Finnland, Griechenland, Ungarn, Polen, Rumänien, Russland, Liechtenstein, Monaco, Portugal und der Slowakei hat die Anmeldung das Eintragungsverfahren überlebt. Und in Deutschland.

Ein holländischer Hersteller brachte ein ähnliches Schokoladenerzeugnis auf den Markt und vertrieb dies in Deutschland über den Discounter Aldi. Die Franzosen beantragten Unterlassung. Die Holländer wehrten sich mit einem Antrag auf Schutzentziehung.

Schon viermal entschied inzwischen das Bundespatentgericht zur Sache – drei echte Entscheidungen und ein ergänzender Berichtigungsbeschluss. Dreimal musste sich der BGH mit der Sache befassen – zweimal das Bundespatentgericht aufheben und einmal einem Akteneinsichtsantrag stattgeben.

In der ersten Runde hatte das Bundespatentgericht die Bestimmtheit der Marke gerügt. Man habe es mit einer dreidimensionalen Marke zu tun. Die Abbildung von nur einer Seite lasse nicht erkennen, wie die Stäbchen von den anderen Seiten aussähen. Dies hielt der BGH für überzogen und hob die Entscheidung auf. So streng sei der Maßstab nicht bei der Bestimmtheit. Man könne ja zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erahnen, dass Anna Blume von hinten ist wie von vorne: „a – n – n – a“.

In der zweiten Runde nun verneinte das Bundespatentgericht die Unterscheidungskraft der Schokostäbchen-Marke. Unterscheidungskräftig ist eine Marke, die die Form der Ware selbst abbildet nur dann, wenn sie erheblich vom Branchenüblichen abweicht. Das hat der EuGH etliche Male entschieden (vgl. Hildebrandt, Marken und andere Kennzeichen, 4. Aufl., § 4 Rn. 100 ff.). Es gebe aber gerade Schokostäbchen in Hülle und Fülle. Auch die gebogene Form sei in Süßwarenmarkt bekannt – etwa durch gebogene Katzenzungen.

Das ließ der BGH nicht gelten. Die Anforderungen an erhebliche Abweichungen vom Branchenüblichen seien nicht so streng. Dafür würde nämlich schon sprechen, dass „kein identisches oder nahezu identisches Produkt auf dem Markt angeboten“ werde. Anders ausgedrückt frei nach BGH: Eine Marke weiche schon dann erheblich vom Branchenüblichen ab, wenn kein identisches oder nahezu identisches Produkt existiere. Erheblich abweichen einerseits – nahezu identisch sein andererseits. Das hat doch nichts miteinander zu tun, oder? „Blau ist die Farbe deines gelben Haares.“ Schaut man sich die gelebte Praxis des EuGH an, dann findet dieser eintragungsbesessene Ansatz der BGH keine Entsprechung.

Aber der BGH setzt noch eins drauf: Die Frage der Branchenüblichkeit sei „nach den gesamten Gegebenheiten des betroffenen Marktsegments – etwa den dort bestehenden Marktanteilen, den erzielten Umsätzen, der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Vertriebs und sonstigen Vertriebsumständen – zu beantworten.“ DPMA und BPatG müssten also das Marktsegment genau aufschlüsseln, wenn sie eine Marke zurückweisen wollen. Es wären Marktanteile, Umsätze und Vertriebsmodalitäten zu ermitteln – Umstände also, die meist nicht allgemein bekannt oder zugänglich sind und deren Ermittlung aufwändig ist. Mit der Praxis von EUIPO und EuGH, wo meist einfach die Branchenüblichkeit behauptet und die Marke zurückgewiesen wird, hat das nichts zu tun.

Hätte die Presse über die Entscheidung berichtet, würde es dort nun heißen: „Der Bundesgerichtshof stärkt die Rechte von Markeninhabern.“ In der Presse stärkt der BGH immer irgendwelche Rechte. Dass ein stärkeres Recht des einen zugleich fast immer eine Rechtseinbuße bei anderen bedeutet, wird verschwiegen. Gestärkt werden durch die Entscheidung des BGH die wenigen Inhaber von Warenformmarken, die in Deutschland weiterhin bestimmte Formgestaltungen monopolisieren können. Geschwächt werden ihre Mitbewerber, die keine Produkte produzieren dürfen, die genauso aussehen – ja nicht einmal ähnliche Produkte. Geschwächt wird damit die Vielfalt an Warenformen. Geschwächt werden schließlich Europa und der Gemeinsame Markt, weil keiner im Ausland mit dem Sonderweg des BGH rechnen muss, der wenig zu tun hat mit der europäischen Herangehensweise.

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