Zum Urteil
BGH/9.11.2016/I ZB 43/15 (veröff. in GRUR 2017, 186 bzw. MarkenR 2017, 27)
Relevante Rechtsnormen
§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 und 6, 37 Abs. 3 MarkenG
Sachverhalt
Das BPatG hatte angenommen, dass die für eine Vielzahl von Waren und DL angemeldeten Wortmarke „Stadtwerke Bremen“ nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG ersichtlich (§ 37 Abs. 3 MarkenG) zur Täuschung des Publikums geeignet sei, da diese aus Sicht des Verbrauchers ein kommunales Versorgungsunternehmen bezeichne, dessen Träger im Wesentlichen die Stadt Bremen sei und in dem diese die Verantwortung für die in Rede stehenden Waren/DL trage. Eine solche Vorstellung sei ersichtlich unzutreffend, weil nach dem Vortrag der Anmelderin die Stadt Bremen an ihr nicht mehrheitlich beteiligt sei und deshalb keinen bestimmenden Einfluss auf die Unternehmenspolitik habe. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
Bisherige Rechtsprechung
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum insb. über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Waren oder DL zu täuschen. Die Aufzählung der zur Täuschung geeigneten Umstände ist nicht abschließend, wobei die Täuschung durch den Zeicheninhalt selbst erfolgen muss. Ist für die beanspruchten Waren/DL eine Markenbenutzung möglich, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt, liegt deshalb das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG insoweit nicht vor (BGH GRUR 2002, 540 – OMEPRAZOK; GRUR 2012, 272 – Rheinpark-Center Neuss; BGH GRUR 2014, 376 – grill meister). Irreführende Angaben zu den beanspruchten Waren/DL, die nicht aus dem Inhalt oder der
Aussage der Marke selbst folgen, sondern sich erst in Verbindung mit der Person oder dem Unternehmen des Markenanmelders ergeben, sind grds. nicht zur Täuschung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG geeignet, ausgenommen eine unternehmensbezogene Angabe ist nicht nur ggü dem Markeninhaber, sondern in Bezug auf jeden Dritten irreführend (BPatG GRUR 2012, 1148 – Robert Enke; BPatG MarkenR 2012, 354 – St. Petersburger Staatsballett).
Entscheidungsgründe
Mit der Wortmarke „Stadtwerke Bremen” nimmt der Anbieter der beanspruchten Waren/DL keine Hoheitsrechte für sich in Anspruch, sondern weist auf den bestimmenden Einfluss der Kommune auf die Geschicke des Unternehmens hin. Es besteht deshalb kein Anlass, die Anmeldung einer solchen Marke hinsichtlich ihrer Täuschungseignung anders als sonstige unternehmensbezogene Angaben einer Marke zu behandeln und den Gedanken des § 8 Abs. 2 Nr. 6 für staatliche Hoheitszeichen heranzuziehen. Eine Wortmarke, die wie – “Stadtwerke Bremen” – auf die Führung oder Beherrschung eines Versorgungsunternehmens durch eine Kommune hinweist, dient nicht der Darstellung staatlicher Souveränität. Auch ist das Schutzhindernis der Täuschungseignung (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG) nicht erfüllt, wenn für die mit der Marke beanspruchten Waren oder DL eine Benutzung möglich ist, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt. So ist es hier, da es möglich erscheint, dass die Stadt Bremen im Zuge einer weitergehenden Rekommunalisierung einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Anmelderin gewinnt oder dass die Anmelderin die Marke an einen von der Stadt Bremen geführten oder beherrschten Versorgungsbetrieb lizenziert oder überträgt.
Der Marke „Stadtwerke Bremen” fehlt auch weder jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), da sie die Herkunft von Waren oder DL aus einem bestimmten Versorgungsunternehmen in kommunaler Trägerschaft bezeichnet, noch stellt sie eine freihaltungsbedürftige Angabe (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) dar (hierzu bereits BPatG GRUR-RR 2009 – Stadtwerke Bochum), 128, da sich ihre Aussagegehalt nicht in der Beschreibung von Grundversorgungsleistungen im Einzugsbereich der Stadt Bremen erschöpft. Sie bezeichnet vielmehr Versorgungsleistungen eines kommunalen Unternehmens, das zumindest mehrheitlich von der Stadt Bremen betrieben wird. Auch ein Freihaltebedürfnis als zukünftig beschreibende Angabe ist aufgrund der sich abzeichnenden weiteren Liberalisierung und Privatisierung von Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge und damit der maßgeblichen realitätsbezogenen Prognoseentscheidung zu verneinen.