Auch ein ausländischer Testkauf kann für das Verständnis eines inländischen Angebotes relevant sein.
Zum Urteil
OLG Düsseldorf I-2 U 58/16, Urteil vom 23.03.2017
Relevante Rechtsnormen
§ 9 Nr. 1 PatG
Sachverhalt
Das Klagepatent betrifft eine bioprotektive Zusammensetzung mit bestimmten, nach genauen Prozentangaben und Mengenverhältnissen festgelegten Inhaltsstoffen. Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland ein Produkt A, dessen Herstellerin das in Indien ansässige Unternehmen B ist. Dessen Erzeugnisse werden über andere Vertriebskanäle auch im Ausland vertrieben. Die Klägerin hat zu dem streitgegenständlichen Produkt A der B im Inland zwei Testkäufe durchgeführt, die eine vom Klagepatent abweichende Zusammensetzung ergeben haben; sie hat im Ausland einen weiteren das Produkt A der B betreffenden Testkauf durchgeführt, bei dem sich eine patentgemäße Zusammensetzung herausgestellt hat. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte, indem sie das Produkt A im Internet beworben hat, patentverletzende Gegenstände angeboten hat. Der ausländische Testkauf beweise, dass sich das Angebot auch auf Produkte mit der patentgemäßen Konstitution beziehe.
Bisherige Rechtsprechung
Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich in einem weiten Sinne zu verstehen. Es genügt, dass dem angesprochenen Verkehr mit ihm die Bereitschaft signalisiert wird, das angebotene Produkt verfügbar zu machen.
Dass sich das Angebot auf einen patentgemäßen, d.h. mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs ausgestatteten Gegenstand bezieht, kann sich aus Inhalt des Angebotes selbst ergeben. Wenn das Angebot (z.B. die Internetwerbung oder der Werbeprospekt) alle Anspruchsmerkmale des Klagepatents erkennen lässt, liegt ein patentverletzendes Angebot vor, völlig unabhängig davon, ob ein entsprechendes Produkt überhaupt existiert oder das im Falle einer Bestellung ausgelieferte Produkt dieselbe oder eine andere, patentfreie Konstitution hat.
Lässt das Angebot einzelne Merkmale des Patentanspruchs nicht erkennen, ist es zulässig, das Vorhandensein der übrigen, nicht ersichtlichen Anspruchsmerkmale anhand des real existierenden Produktes festzustellen, das mit dem Angebot beworben wird.
Entscheidungsgründe
Insoweit kommt es maßgeblich auf dasjenige Erzeugnis an, das dem durch das Angebot angesprochenen inländischen Verkehr bekannt oder verfügbar ist, so dass die notwendigen Feststellungen anhand des im Inland vertriebenen Produktes zu treffen sind, während Auslandsprodukte, jedenfalls unmittelbar, ohne Belang sind.
Sie können allenfalls mittelbar dann bedeutsam sein, wenn das durch einen ausländischen Testkauf erworbene Produkt tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, wie – jenseits der inländischen Testkäufe und der hierbei offenbarten Zusammensetzung – diejenigen Erzeugnisse ausgestaltet sind, die im Inland vertrieben worden sind/werden.
- Hierzu ist es notwendig, dass sich der ausländische Testkauf auf dasselbe Produkt desselben Herstellers bezieht wie dasjenige Erzeugnis, das Gegenstand des inländischen Angebotes ist.
- Weiterhin bedarf es der Darlegung, dass der betreffende Hersteller (von dem sowohl die im Inland vertriebenen als auch die im Ausland auf den Markt gebrachten Produkte stammen) sämtliche Erzeugnisse nach ein- und derselben Rezeptur hergestellt,
- dass es bei dieser Herstellung produktionsbedingt zu gewissen Schwankungen im fertigen Erzeugnis kommt, die sowohl die Zusammensetzungen erklären, welche bei den inländischen Testkäufen zu Tage getreten sind, als auch diejenige Konstitution plausibel machen, die sich bei dem ausländischen Testkauf herausgestellt hat,
- und dass die vorbezeichnete Streubreite der Zusammensetzungen in einer solchen statistischen Häufigkeit auftritt, dass angesichts der inländischen Vertriebsaktivitäten nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass Erzeugnisse mit der patentgemäßen Konstitution – ungeachtet der insoweit ergebnislos verlaufenden Testkäufe – auch im Inland in den Verkehr gelangt sind.
Konsequenz
Vor einer Klageerhebung sollten Testkäufe so lange durchgeführt werden, bis mindestens ein patentgemäßes Produkt vorliegt.