Umstritten war in der Rspr. und Lit., ob der Beitritt des Dritten als potentieller Patentverletzer im patentrechtlichen Einspruchs(beschwerde)verfahren entgegen des Wortlauts des § 59 II Satz 1 PatG „daß gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden ist“ auch zulässig ist, wenn der beitretende Dritte nicht vom Patentinhaber mit einer Klage, sondern nur mit einer einstweilige Verfügung (eV) innerhalb der letzten drei Monate überzogen worden ist.
Gewinnen Sie heuteErfindungs- und PatentlehreMethodik der Behandlung von Erfindungen und PatentenSava KulhavyCarl Heymanns VerlagLeider ist der Zeitraum für diese Gewinnmöglichkeit bereits abgelaufen.
Entscheidung
Beschl. v. 29.8.17 . X ZB 3/15 – Ratschenschlüssel (unveröff.)
Relevante Rechtsnormen
§ 59 II Satz 1 PatG
Sachverhalt
Die Einsprechende zu 2 war dem Einspruchsverfahren beigetreten und hatte sich darauf berufen, der Patentinhaber habe, gestützt auf das Streitpatent, eine eV des LG Düsseldorf auf Unterlassung erwirkt. Das DPMA hatte den Beitritt für unzulässig erachtet; auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte das BPatG die Rechtsauffassung des DPMA bestätigt und die Beschwerde zurückgewiesen.
Bisherige Rechtssprechung
Im EPÜ (T 0452/05) wird die Zulässigkeit eines derartigen Beitritts nach der Rspr. der Beschwerdekammern bejaht, wobei hier auch die englische Fassung des Art. 105 I a EPO lautet “proceedings for infringement”, was eine Subsumtion einer eV ohne weiteres erlaubt.
In der Rspr. der Beschwerdesenate des BPatG und der Literatur war diese Frage jedoch im Hinblick auf den Wortlaut des § 59 II Satz 1 PatG „Klage“ umstritten. Während der 8. Senat (Beschl. v. 12. 7.2011 – 8 W (pat) 23/08) die Zulässigkeit im Hinblick auf die Interessenlage und Zielsetzung bejaht hatte (ebenso Engels in Busse/Keukenschrijver § 59 PatG Rn. 170), vertrat der 11. Senat (Mitt. 2015, 283 – Ratschenschlüssel) in vorliegendem Verfahren die Gegenansicht mit der Begründung, dass Begriff „Klage“ im deutschen Recht klar, eindeutig und abschließend definiert und einer „erweiternden Auslegung“ oder eine Analogie nicht zugänglich sei (ebenso verneinend: BPatG Beschl. v 31.3.1994, 4 W (pat) 3/91, Benkard/Schäfers/Schwarz, PatG, § 59 Rn. 104). Der 11. Senat ließ aber die Rechtsbeschwerde zum BGH zu, welche Erfolg hatte.
Entscheidungsgründe
Der X. Senat des BGH bestätigte die Rechtsauffassung des 11. Senats nicht und beschied, dass dem Einspruchsverfahren als Einsprechender auch derjenige Dritte beitreten kann, gegen den der Patentinhaber wegen Verletzung des Patents den Erlass einer eV beantragt hat. Dass § 59 II PatG die eV nicht ausdrücklich neben der Klageerhebung nenne, gehe ersichtlich nicht auf eine bewusste ablehnende Entscheidung des Gesetzgebers zurück; bezweckt sei vielmehr eine Angleichung an Art. 105 I a EPÜ gewesen. § 59 II PatG liege die wertende Unterscheidung zugrunde, ob die Auseinandersetzung zwischen Patentinhaber und dem Dritten noch rein außergerichtlich geführt werde oder ob eine Seite bereits die Grenze zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe überschritten habe. Letzteres sei bei der eV ebenfalls der Fall, ein sachlicher Unterschied nicht gerechtfertigt.
Konsequenz
Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie nicht nur der Intention des Gesetzgebers, sondern auch den praktischen Bedürfnissen und der Interessenlage des potentiellen Patentverletzers in der Situation des Einspruchs(beschwerde)verfahrens gerecht wird.