Im Zweifel hat das Europäische Patentamt den Zugang des Schriftstücks gemäß Regel 126 (2) EPÜ nachzuweisen. Falls der Zustellbeleg des zuständigen Postdiensts vorliegt, ist es nicht hinreichend, wenn der Empfang durch den Vertreter ohne stützende Gegenbelege verneint wird.
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Entscheidung
T 1934/16
Relevante Rechtsnormen
Regel 126 (2) EPÜ
Sachverhalt
Nach der Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geändertem Umfang im Einspruchsverfahren hatte die Patentinhaberin die vorgeschriebene Gebühr zu entrichten und eine Übersetzung der geänderten Patentansprüche nach Regel 82 (2) EPÜ einzureichen. Da dies nicht erfolgte, erging eine Mitteilung nach Regel 82 (3) EPÜ, mit welcher eine zweimonatige Frist gesetzt wurde, die versäumten Handlungen nachzuholen. Auch in der Folgezeit wurden die versäumten Handlungen nicht nachgeholt, so dass das Patent widerrufen wurde.
Hiergegen legte der Vertreter der Patentinhaberin Beschwerde ein. Gemäß Regel 126 (2) EPÜ hat das Europäische Patentamt im Zweifel den Zugang der Mitteilung und den Tag des Zugangs nachzuweisen. Der Vertreter gab an, dass die Mitteilung nicht zugestellt worden sei. Weiterhin wurde angegeben, dass die Kanzlei ein sorgfältig durchdachtes System der Postüberwachung habe, so dass das Fehlen des Schreibens in den eigenen Akten auch ein Beleg für dessen Nichteingang sei.
Die Beschwerdekammer erkundigte sich bei der zentralen Poststelle des Europäischen Patentamts in Den Haag, ob die Mitteilung ordnungsgemäß zugestellt wurde. Die zentrale Poststelle des Europäischen Patentamts gab an, dass die Mitteilung an die Adresse des Vertreters am 4. März 2017 zugestellt worden sei und legte eine Kopie des Zustellbelegs bei.
Bisherige Rechtssprechung
In J 9/05 und J 18/05 bestätigte die Deutsche Post, dass eine Zustellung durch einen ausländischen Postzustelldienst an einen Empfangsbevollmächtigten erfolgt sei. Der Empfänger wies darauf hin, dass die Adresse bei der Zustellung nicht angegeben worden war und in unmittelbarer Nähe eine Straße mit ähnlichem Namen existiere. Ferner wurde auf andere Büros innerhalb des Gebäudes hingewiesen, an welche eine Zustellung erfolgt sein könne. Auch das kanzleiinterne System der Postüberwachung wurde beschrieben. Nach Abwägung dieser Umstände durch die Beschwerdekammer wurde der Nachweis für eine erfolgte Zustellung als unzureichend angesehen.
Laut T 529/09 und T 1304/07 genügt für den Nachweis der erfolgten Zustellung ohne gegenteilige Anhaltspunkte der Zustellbeleg des Postzustelldienstes. In den beiden Entscheidungen lag eine Bestätigung der Deutschen Post über den Zugang vor und der Empfänger konnte keine Belege beibringen, die hätten zeigen können, dass die Bestätigung unzutreffend war.
In T 1535/10 entschied die Beschwerdekammer, dass das Amt zwar die Transportrisiken zu tragen hat, jedoch der Empfänger Risiken der kanzleiinternen Weitergabe, beispielsweise durch Angestellte, trägt.
In J 14/14 wurde entschieden, dass eine Mitteilung der Deutschen Post, nach der das ausländische Postunternehmen die erfolgreiche Zustellung bestätigt habe, als Nachweis nicht hinreichend ist, sofern nicht der Zustellbeleg des ausländischen Postunternehmens vorliegt.
Entscheidungsgründe
Laut Auffassung der Beschwerdekammer ist der Zustellbeleg des Postzustelldienstes hinreichend für den Nachweis einer erfolgreichen Zustellung an den Vertreter.
In den Entscheidungen J 9/05 und J 18/05 ist zwar ein solcher Zustellbeleg nicht als hinreichend angesehen worden, allerdings wurden in diesen Entscheidungen seitens des Vertreters in substantiellem Maße Gegenbelege beigebracht, die auch begründeten, warum die Mitteilung nicht eingetroffen war. Die alleinige Behauptung, dass die Kanzlei ein zuverlässiges System der Postüberwachung habe, ist nicht hinreichend.
Daher belegt das Ergebnis der Erkundigung bei der zentralen Poststelle die erfolgreiche Zustellung und der Widerruf des Patents ist verfahrensrechtlich korrekt.
Konsequenz
Die vorliegende Entscheidung bestätigt die Rechtsprechung der Entscheidungen T 529/09 und T 1304/07, wonach ein beim Europäischen Patentamt hinterlegter Zustellbeleg des Postzustelldienstes mit Zustelldatum im Regelfall als hinreichender Nachweis einer erfolgten Zustellung im Sinne der Regel 126 (2) EPÜ anzusehen ist.
Wenn ein solcher Zustellbeleg also vorliegt, ist es Aufgabe des Empfängers, Gegenbelege beizubringen, die die Richtigkeit des Zustellbelegs in Frage stellen. Ob dies gelingt, wird letztendlich durch die zuständige Abteilung angesichts der konkreten Umstände abzuwägen sein, wobei es darauf ankommt, welche Informationen der Zustellbeleg umfasst und welche Gegenbelege der Empfänger anführen kann.