Die Entscheidung des OLG München hält zutreffend fest, dass einstweiliger Rechtsschutz in Patentsachen auch bei einer nur äquivalent begründeten Verletzung gerechtfertigt ist. Insoweit grenzt sich das OLG München zu Recht von der Rechtsprechung der Hamburger Gerichte ab (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 244, 245 – Spannbacke; LG Hamburg, GRUR-RR. 2015, 137 – Hydraulikschlauchgriffteil), die auch nur schwerlich mit Art. 50 Abs. 1 TRIPS vereinbar ist. Das OLG München führt im Ergebnis die BGH-Entscheidung „Pemetrexed“ (GRUR 2016, 921 ff.) fort, ohne aber zu hinterfragen, welche Konsequenzen deren Fortführung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus hat. Denn zusammenfassend ergibt sich aus dieser BGH-Rechtsprechung ein überweiter Äquivalenzbereich, der nicht mehr mit dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ in Einklang zu bringen ist. Zudem stützt sich diese BGH-Rechtsprechung auf den Offenbarungsbegriff gemäß „Olanzapin“ (GRUR 2009, 382 ff.), den der BGH in allen jüngeren Entscheidungen de facto gerade abgeschafft hat (zuletzt eindrücklich unter unmissverständlicher Abgrenzung zur EPA-Praxis BGH GRUR 2017, 54 ff. [Tz. 52 ff.] – Ventileinrichtung).
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Entscheidung
OLG München, Urteil, 18. Mai 2017, 6 U 3039/16 (veröff. in Pharma Recht 2017, 402-418)
Relevante Rechtsnormen
Art. 69 EPÜ; Auslegungsprotokoll; § 14 PatG; §§ 935, 940 ZPO
Sachverhalt
Der vorliegende Fall betrifft das „Pemetrexed“-Patent EP 1 313 508 B1, das bereits Gegenstand der gleichlautenden BGH-Entscheidung (GRUR 2016, 382 ff.) war. Der maßgebliche Unterschied zu dieser Entscheidung besteht – vereinfachend – darin, dass anstelle von Pemetrexeddikalium das Antifolat Pemetrexeddisäure verwendet wird.
Bisherige Rechtsprechung
Entscheidungsgründe
Konsequenz
Die Entscheidung des OLG München führt die Konsequenzen der BGH-Entscheidung „Pemetrexed“ (GRUR 2016, 921 ff.) klar und eindrücklich vor Augen. Der Äquivalenzbereich wird nach dieser Rechtsprechung auf alle dem Fachmann zum Prioritätstag bekannten (und in der Konsequenz naheliegenden) Gattungsmitglieder (hier: alle Antifolate) erstreckt. Das führt zum praktischen Ergebnis, dass der Wortsinnbereich um ein Vielfaches (ggfs. mehr als hundertfaches) enger als der Äquivalenzbereich ist. Es ist überaus zweifelhaft, ob sich dieses praktische Ergebnis mit dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ vereinbaren lässt. Danach darf Art. 69 EPÜ gerade nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Schutzbereich auch auf dasjenige erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung als Schutzbegehren darstellt. Genau hierzu führt aber die Rechtsprechung des BGH und überspannt damit die weitere Vorgabe des Auslegungsprotokolls, Äquivalenten „gebührend“ Rechnung zu tragen. Im Ergebnis berücksichtigen die Vorgaben des BGH nach der „Pemetrexed“-Entscheidung Äquivalente „über Gebühr“ und münden in einer Übermonopolisierung des Patentinhabers (der sich noch nicht einmal mehr daran festhalten lassen muss, was er tatsächlich unter Schutz gestellt hat). Dies belastet die Praxis mit unzumutbaren Unsicherheiten bei der Schutzbereichsbestimmung.