Zweckgebundener Stoffschutz

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  1. Aus einer höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der Verfügungskläger eigenverantwortlich die notwendigen rechtlichen Schlüsse und die Konsequenzen für seine Rechtsverfolgung zu ziehen; ansonsten verliert er die Dringlichkeit für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren.
  2. Gegen ein- und dasselbe Produkt sind alle verfügbaren und für ein einstweiliges Verfügungsverfahren tauglichen Schutzrechte geltend zu machen.

Zum Urteil

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.05.2017, I-2 W 6/17

Relevante Rechtsnormen

§ 935 ZPO, §§ 9, 14 PatG

Sachverhalt

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin eines Patents für einen Wirkstoff zur Brustkrebsbehandlung. Gestützt auf dieses Schutzrecht hat sie gegen die Verfügungsbeklagte (ein Generikaunternehmen) eine einstweilige Unterlassungsverfügung erwirkt, nachdem das Patent durch die Einspruchsabteilung des EPA aufrechterhalten worden ist. Die Verfügungsbeklagte hat ihr Generikum daraufhin aus dem Vertrieb genommen. Auf eine anschließende Nichtigkeitsklage hin hat das BPatG den deutschen Teil des Wirkstoffpatents für nichtig erklärt, woraufhin die Zwangsvollstreckung aus der erstrittenen Unterlassungsverfügung eingestellt worden ist.

Nunmehr führt die Verfügungsklägerin ein neues Verfügungsverfahren gegen das Generikum. Grundlage ist jetzt ein den fraglichen Wirkstoff betreffendes Herstellungsverwendungspatent, welches den Einsatz des Wirkstoffes für den Fall vorsieht, dass zwei andere Brustkrebstherapien erfolglos geblieben sind. Das Verfügungspatent wurde im Jahr 2005 erteilt und am 14.02.2013 von der Technischen Beschwerdekammer des EPA aufrechterhalten. Beim Vertrieb des Generikums wird zwar nicht darauf hingewiesen, dass vor seinem therapeutischen Einsatz die beiden anderen Behandlungsmethoden erfolglos durchgeführt worden sein müssen; vielmehr wird das Generikum allgemein zur Brustkrebstherapie angeboten. Statistisch ist nach der Behauptung der Verfügungsklägerin jedoch davon auszugehen, dass ein bestimmter Teil der in der Vergangenheit mit dem Generikum behandelten Patientinnen die fraglichen Vorbehandlungen tatsächlich absolviert hatten. Dass das Unterlassungsbegehren dringlich sei, folge daraus, dass ihr erst durch eine entsprechende Kommentierung im „Handbuch der Patentverletzung“ deutlich geworden sei, dass auch ohne eine sinnfällige Herrichtung des Arzneimittels (an der es vorliegend fehle) ein Eingriff in den Schutzbereich des Verfügungspatents vorliegen könne.

Bisherige Rechtsprechung

Grundsätzlich kann einem Schutzrechtinhaber erst dann ein Verfügungsantrag zugemutet werden, wenn einerseits der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert ist und er andererseits verlässliche Kenntnis aller derjenigen Tatsachen hat, die eine Schutzrechtsverletzung ergeben, wozu auch gehört, dass die betreffenden, den Verletzungssachverhalt ergebenden Tatsachen glaubhaft gemacht werden können (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 236 – Flupertin-Maleat). Der Verfügungskläger muss bei der Rechtsverfolgung allerdings kein Prozessrisiko eingehen. Er darf sich vielmehr auf jede mögliche prozessuale Situation, die nach Lage der Umstände eintreten kann, vorbereiten, so dass er – wie immer sich der Verfügungsbeklagte auch einlassen und verteidigen mag – darauf eingerichtet ist, erfolgreich erwidern und die nötigen Glaubhaftmachungsmittel präsentieren zu können.

Entscheidungsgründe

  1. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Antragsteller davon entbunden ist, aus einer bestimmten, ihm günstigen Rechtsprechung eigenverantwortlich die notwendigen rechtlichen Schlüsse und Konsequenzen für die Durchsetzung seines Patentrechts zu ziehen. Spätestens, nachdem der BGH in der „Pemetrexed“-Entscheidung (GRUR 2016, 921) – auch – für Herstellungsverwendungspatente klargestellt hat, dass sie im Verletzungsprozess wie zweckgebundene Stoffschutzansprüche zu behandeln sind, wäre die naheliegende Erkenntnis zu ziehen gewesen, dass ein Patentschutz nicht nur dann möglich ist, wenn der patentgemäße Therapiezweck durch eine aktive Herrichtungsmaßnahme des Lieferanten sichergestellt wird, sondern in gleicher Weise dann in Betracht kommt, wenn dies aufgrund der übrigen äußeren Umstände (wie einem gebräuchlichen cross-label-use) zu erwarten ist. Derjenige Schutzrechtinhaber, der sich die Frage nach den Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen eines „zweckgebundenen Stoffschutzpatents“ im Anschluss an die BGH-Rechtsprechung nicht selbst stellt, sondern zuwartet, bis die entsprechenden Überlegungen in der Literatur aufgearbeitet und niedergeschrieben sind, kann deswegen nicht für sich reklamieren, sein Rechtsschutzbegehren in einer solchen Weise zielstrebig verfolgt zu haben, dass er vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann.
  2. Ihn kann auch nicht entlasten, dass wegen des zunächst erfolgreich durchgesetzten (absoluten) Wirkstoffpatents kein Anlass bestanden hat, daneben auch das einen nur begrenzten (weil zweckgebundenen) Sachschutz vermittelnde Verwendungspatent geltend zu machen. Genauso, wie es die Pflicht des Schutzrechtsinhabers ist, das Wettbewerbsprodukt auf eine Schutzrechtsverletzung zu überprüfen, ist es seine Obliegenheit zu verifizieren, welche Schutzrechte aus seinem Bestand durch das Konkurrenzprodukt verletzt sein können. Werden einzelne verletzte Schutzrechte, obwohl dies möglich und aussichtsreich gewesen wäre, nicht geltend gemacht, so spricht dies deshalb regelmäßig dafür, dass dem Patentinhaber die Durchsetzung dieser Schutzrechte nicht dringlich ist. Das gilt auch dann, wenn das zunächst nicht gerichtlich durchgesetzte Schutzrecht einen geringeren Schutzumfang bietet als das bereits im Verfügungsverfahren befindliche. Ob hierfür schon das berechtigte Anliegen des Antragsgegners genügt, von Beginn an abschätzen zu können, welchen Angriffen von Seiten des Verfügungsklägers er ausgesetzt ist, um zu vermeiden, dass ihm ein nach Beseitigung einer ersten Unterlassungsverfügung unternommener Wiedereintritt in den Markt anschließend unter Berufung ein weiteres, schon beim ersten Angriff vorliegendes und hinreichend rechtsbeständiges Patent abermals untersagt wird, kann offen bleiben. Anlass, das jetzige Verfügungspatent von vornherein mit geltend zu machen, besteht jedenfalls dann, wenn sein Rechtsbestand – wie hier mit Rücksicht auf die Beschwerdekammerentscheidung – in besonderem Maße gesichert ist.

Konsequenz

Vor einem Verfügungsantrag ist der gesamte Schutzrechtsbestand sorgfältig daraufhin zu überprüfen, ob nicht auch für weitere Schutzrechte die Voraussetzungen für eine Unterlassungsverfügung gegeben sind.

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