Bankbürgschaft bei einer Mehrheit von Bürgschaftsgläubigern

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Schwerpunkt der Entscheidung ist die Frage, welchen Anforderungen eine als Sicherheit geleistete Bankbürgschaft gem. § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO genügen muss.

Zum Urteil

OLG Düsseldorf, I-15 U 68/17, Beschluss vom 26.09.2017 (veröff. in juris)

Relevante Rechtsnormen

§ 108 Abs. 1 S. 2 ZPO; §§ 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 1 S. 1 ZPO; § 929 Abs. 2 ZPO, §§ 22, 28 NRWHintG

Sachverhalt

Das Landgericht verurteilte im einstweiligen Verfügungsverfahren zwei Verfügungsbeklagte wegen Patentverletzung zur Unterlassung und ordnete an, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung gem. § 108 Abs. 1 S. 1 ZPO vorläufig vollstreckbar ist.

Die Verfügungsklägerin machte von ihrem Wahlrecht bzgl. der Art und Weise der Sicherheitsleistung gem. § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO Gebrauch und stellte innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO neben der Urteilsverfügung eine Bankbürgschaft zu, die folgende Klausel enthält: „Die formgerechte Inanspruchnahme der Bürgschaft setzt eine schriftliche Zahlungsaufforderung durch alle Bürgschaftsgläubiger voraus.“

Entscheidungsgründe

Der Senat hat antragsgemäß nach §§ 719 Abs. 1 S. 1, 707 Abs. 1 S. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung des Urteils einstweilen eingestellt, da die Urteilsverfügung nicht wirksam innerhalb der Vollziehungsfrist vollzogen wurde. Die als Sicherheit geleistete Bankbürgschaft genügt nicht den Anforderungen des § 108 Abs. 1 ZPO.

Die zitierte Klausel führt zwar nicht zu einer unzulässigen Bedingung der Bankbürgschaft, da die geforderte schriftliche Inanspruchnahme durch alle Bürgschaftsgläubiger nicht die Rechtswirkungen des Bürgschaftsvertrages als solche an diese formgerechte Inanspruchnahme knüpft, sondern mit ihr vielmehr „bloß“ die Verwertung der unbedingt geleisteten Sicherheit in qualifizierter Form vorschreibt, die nach Eintritt des Sicherungsfalles für den unmittelbaren Zugriff auf den Bürgen gilt. Der bürgenden Bank wird keine rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendung in Form einer Bedingung eingeräumt, sondern (nur) ein rechtshemmendes Leistungsverweigerungsrecht.

Es entspricht jedoch einem allgemein anerkannten (ungeschriebenen) Grundsatz, dass über die in § 108 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 ZPO explizit normierten Anforderungen hinaus die durch Bürgschaft gesicherte Partei nicht schlechter gestellt werden darf als bei der Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren. Denn nach der gesetzlichen Konzeption des § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO kann nur eine solche Bürgschaft ausreichend sein, die für den Sicherungsnehmer ein entsprechendes Sicherheitsniveau darstellt wie eine Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren. Der Inhalt einer Prozessbürgschaft muss dem Sicherungszweck genügen; im Zweifelsfall ist dies durch Auslegung zu bestimmen, wobei grundsätzlich die allgemeinen Regeln für die Auslegung von Bürgschaften gelten (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 13, 116, 118). Ein wichtiges Auslegungskriterium ist, ob und ggf. wie ihr Sicherheitsniveau dem der Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren entspricht.

Die zitierte Klausel verstößt gegen dieses Schlechterstellungsverbot, auch wenn mit ihr sichergestellt ist, dass die bürgende Bank sich nicht ohne (schriftliche) Zustimmung des jeweils anderen Sicherungsberechtigten durch Leistung an einen der Bürgschaftsgläubiger von ihrer Verbindlichkeit befreien kann und die Verfügungsbeklagten folglich nicht nur bloße Gesamtgläubiger sind.

Infolge der zitierten Klausel wird indes kein mit einer Hinterlegung vergleichbares Sicherungsniveau erreicht. Die Klausel führt nämlich dazu, dass dem einzelnen Bürgschaftsgläubiger bei Eintritt des Sicherungsfalles – anders als in der Situation einer Mitgläubigerschaft i.S.v. § 432 BGB – gerade nicht die Befugnis zukommt, Leistung an alle Sicherungsberechtigten zu fordern. Dies wiederum hat zur Folge, dass der einzelne Verfügungsbeklagte – bspw. beim Streit im Innenverhältnis – nicht zu seinen Gunsten eine Verjährungshemmung nach §§ 208, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Erhebung einer Klage als Prozessstandschafter herbeiführen kann, weil die von der Verfügungsklägerin gestellte Bürgschaft die gemeinschaftliche Geltendmachung durch alle Bürgschaftsgläubiger zwingend voraussetzt. Die Forderungseintreibung eines Mitgläubigers ist demnach im Falle von Mitwirkungsverweigerungen einzelner Mitgläubiger im Vergleich zu der Situation, dass eine Sicherheit in Form einer Hinterlegung zur Verfügung gestellt wurde, unzumutbar erschwert.

Hierbei sind vor allem die unterschiedlichen Verjährungsfristen von Bedeutung: Während der Anspruch aus der Prozessbürgschaft der Verjährung nach §§ 195, 199 BGB unterliegt und die kurze Verjährungsfrist von 3 Jahren unabhängig von einer Leistungsaufforderung durch den Gläubiger mit Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnt, verjährt der Anspruch auf Herausgabe von hinterlegten Geldbeträgen oder Wertpapieren regelmäßig erst in 30 Jahren, § 28 NRWHIntG. Angesichts dessen muss in Fällen einer Mehrheit von Sicherungsberechtigten sichergestellt sein, dass bei Streitigkeiten im Innenverhältnis jeder einzelne Bürgschaftsgläubiger im Außenverhältnis selbständig eine Hemmung der Verjährung herbeiführen kann. Dies ist jedoch aufgrund der zitierten Klausel gerade nicht möglich.

Diese Schlechterstellung wird nicht durch einen Verweis auf einen etwaigen Anspruch des einen Mitgläubigers gegen den anderen Mitgläubiger auf Zustimmungserteilung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB bzw. § 816 ABs. 2 BGB analog behoben. Bevor ein entsprechendes Urteil rechtskräftig ist und damit die benötigte Zustimmung des anderen Teils gem. § 894 S. 1 ZPO erstetzt, kann der Anspruch aus der Prozessbürgschaft im Außenverhältnis zum Bürgen bereits verjährt sein. Dieses Risiko besteht im Falle einer Hinterlegung mit Blick auf die dort geltende Verjährungsfrist nicht.

Aus demselben Grunde streitet für die Wirksamkeit der Klausel auch nicht der Umstand, dass nach § 22 Abs. 1 NRWHintG eine Herausgabeanordnung nur im Fall der nachgewiesenen Berechtigung des Empfängers erfolgt und der betreffende Nachweis u.a. durch Vorlage einer schriftlichen Bewilligung aller Beteiligten (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 NRWHintG) oder einer rechtskräftigen Entscheidung mit Wirkung gegen alle Beteiligten (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 NRWHintG) geführt werden kann. Wiederum ist jedenfalls zu beachten, dass aufgrund der 30-jährigen Verfallsfrist (§ 28 NRWHintG) der betreffende Mechanismus die durch Hinterlegung Gesicherten weit weniger beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass § 22 Abs. 3 NRWHintG die vorgenannten Arten von Nachweisen keineswegs als abschließend erachtet, sondern auch andere geeignete Nachweise der Berechtigung zulässt. Demgegenüber fordert die streitgegenständliche Klausel apodiktisch die schriftliche Geltendmachung aller Bürgschaftsgläubiger und schließt so andere Möglichkeiten aus.

Konsequenz

Bei der Stellung von Bankbürgschaften ist im Einzelnen zu prüfen, welche rechtlichen Konsequenzen einzelne Klauseln nach sich ziehen. Bei Klauseln, die von den allgemeinen BGB-Regeln abweichen, ist Vorsicht geboten. Bei einer Mehrheit von Gläubigern ist stets ein besonderes Augenmerk auf § 432 BGB zu legen. Zusätzlich ist (in jedem Fall) ein Vergleich zur Sicherungsposition durch Hinterlegung zu ziehen und eine Schlechterstellung des Bankbürgschaftsgläubigers zu vermeiden.

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