EuGH zum „Verletzerzuschlag“ Teil I: Du musst nicht…

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Einleitung

Seitdem die Enforcement-Richtlinie (RL 2004/48/EG) erlassen wurde, fragt sich die deutsche Praxis, ob aus Art. 13 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie ein pauschaler Aufschlag zugunsten des Schutzrechtsinhabers auf den Schadensersatzanspruch abgeleitet werden kann. Da die Richtlinie die hypothetische Vergütung im Wege der Lizenzanalogie nur als einen möglichen Mindestfaktor benennt, stellte sich die Frage, ob die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass weitere Pauschalfaktoren berücksichtigt werden können. Der EuGH befasste sich mit der Frage im Kontext eines sortenschutzrechtlichen Vorabentscheidungsersuchens.

Zum Urteil

EuGH, Urt. v. 09.06.2016, C-481/14, veröff. InfoCuria

Relevante Rechtsnormen

Art. 13 Durchsetzungs-RL (RL 2004/48/EG)

Sachverhalt

Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Inhaber der Gemeinschaftssorte EU 4282 mit der Bezeichnung „Lemon Symphony“, die zur Art der Kapmargeriten gehört. In den Jahren 2002 bis 2009 baute die Beklagte des Ausgangsverfahrens die Blumensorte SUMOST 01 an und vertrieb sie unter der Bezeichnung „Summerdaisy’s Alexander“.

Das Landgericht Düsseldorf stellte fest, dass die Beklagte dem Kläger wegen der Verletzung der Gemeinschaftssorte zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die Kammer sprach dem Kläger den beantragten Schadensersatz nach Lizenzanalogie zu, wies die weitergehenden Anträge auf Zahlung eines Zuschlags in Höhe der Hälfte des eingeklagten Lizenzsatzes jedoch zurück. Im Berufungsverfahren vor dem OLG Düsseldorf streiten die Parteien über die Höhe der auf der Verletzung beruhenden angemessenen Vergütung und die Höhe des Ersatzes des weiteren aus der Verletzung entstandenen Schadens.

Das OLG Düsseldorf setzte den Verletzungsstreit aus und legte dem EuGH einen detaillierten Fragenkatalog zur Zulässigkeit eines pauschalierten Verletzerzuschlags vor, der unter anderem acht potentielle Pauschalfaktoren enthielt.

Entscheidungsgründe

Pauschalierte Verletzerzuschläge auf den Schadensersatz nach Lizenzanalogie können nach der Durchsetzungs-RL nur ausnahmsweise gewährt werden, wenn eine konkret vorgetragene Schadensposition nicht quantifizierbar ist. Die Mitgliedstaaten sind allerdings nicht daran gehindert, stärker schützende Maßnahmen vorzusehen.

Der EuGH stellte fest, dass über die hypothetische Lizenzgebühr hinaus nicht grundlos ein pauschaler Verletzerzuschlag angesetzt werden kann (1. Ls.). Auch die Herausgabe der Gewinne und Vorteile, in deren Genuss der Verletzer gelangt ist, könne nicht pauschal angeordnet werden (Rz. 43). Denn solche Zuschläge entsprächen nicht zwangsläufig dem Schaden, der dem Schutzrechtsinhaber entstanden ist (Rz. 40, 57). Bereits hier zeigte das Gericht auf, dass die Durchsetzungs-RL die Mitgliedstaaten nicht daran hindere, stärker schützende Maßnahmen vorzusehen (Rz. 40). Nach Auffassung der Kammer wird ein objektiver und vollständiger Schadensersatz ins Auge gefasst. Der Schutzrechtsinhaber kann neben der hypothetischen Lizenzgebühr weitere Schadenspositionen ansetzen, ist aber dafür nachweispflichtig, dass sein Schaden über das hinausgeht, was von einer angemessenen Vergütung abgedeckt ist (Rz. 56). Lediglich Verzugsschäden, die durch die nachträgliche Zahlung der Lizenzgebühr entstehen, insbesondere Verzugszinsen, können pauschal neben der Lizenzgebühr verlangt werden (2. Ls.). Solche Schäden stünden in engem Zusammenhang damit, dass die Vergütung nicht gezahlt wurde (Rz. 52) und könnten mit einem Pauschalbetrag angesetzt werden, der den tatsächlichen Verhältnissen möglichst nahekommt (Rz. 59).

Ein Schlupfloch ließ sich der EuGH allerdings offen: Wenn eine konkret vorgetragene Schadensposition ausnahmsweise nicht quantifizierbar ist, kann die Höhe dieses Schadens nötigenfalls pauschaliert festgelegt werden (3. Ls.). Damit zeigt der EuGH den Gerichten der Mitgliedstaaten die Grenzen der Schadensbemessung nach eigenem Ermessen auf, in Deutschland etwa im Rahmen des § 287 ZPO. Pauschalzuschläge stellt er – mit Ausnahme der Verzugszinsen – unter den Vorbehalt des (nationalen) Gesetze.

Konsequenz

Lesen Sie dazu auch den Beitrag “EuGH zum „Verletzerzuschlag“ Teil II: …aber Du darfst” von Jonas Block.

Mit seiner Entscheidung beendet der EuGH die Diskussion darüber, inwieweit ein pauschalierter Schadensersatzanspruch nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbar auf die Durchsetzungs-RL gestützt werden kann. Obwohl die Entscheidung sich auf dem Gebiet des Sortenschutzes erging, sind die Erwägungen des Gerichts zu Art. 13 der Durchsetzungs-RL auf sämtliche gewerbliche Schutzrechte anwendbar. In diesem Zusammenhang ist es aus deutscher Sicht im Interesse der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit zu begrüßen, dass die  Verletzungsgerichte nach eigenem Ermessen nur in äußerst engen Grenzen und geeigneten Fällen pauschalierte Schadenspositionen ansetzen dürfen. Wenn der nationale Gesetzgeber von dieser Vorgabe abweichen möchte, muss er legislativ tätig werden (vgl. dazu Teil II).

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