Recht auf Selbstbeschränkung bei Teilnichtigkeitsklage massiv eingeschränkt | BGH Ankopplungssystem

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aus EP1302147 (A1)

Lesen Sie dazu die Beiträge “Neue Ansprüche bei Selbstbeschränkung | Fixationssystem” und “Bringschuld des Patentinhabers für die Verteidigung von Unteransprüchen im Bestandsverfahren bestätigt | BGH Datengenerator” von Rainer Engels.

Die Möglichkeit der Selbstbeschränkung des im Bestandsverfahren angegriffenen Patents wird nach der st. Rspr. seit BGH „Spritzgußmaschine I“ (BGHZ 21, 8) als zulässige und der Prozessökonomie geschuldete Alternative zum isolierten Beschränkungsverfahren nach § 64 PatG anerkannt (BGH GRUR 2017, 57 – Datengenerator; vgl. auch BPatG GRUR 2013, 487 – Fixationssystem; Engels/Busse PatG 8. Aufl. 2016 § 59 Rn 256). Auf diese Weise kann der Patentinhaber eine Beschränkung des Prozessstoffs herbeiführen, ohne dass er den vom Gesetz dafür an sich vorgegebenen Weg des Beschränkungsverfahrens beschreiten muss (so BGH GRUR 2005, 145 elektronisches Modul). Der X. Senat hat nun für den Teilangriff im Nichtigkeitsverfahren diesen Gedanken präzisiert und insoweit erstmals höchstrichterlich geklärt:

Die Möglichkeit, das Patent beschränkt zu verteidigen, dient allein der Verteidigung des Nichtigkeitsbeklagten gegenüber dem vom Nichtigkeitskläger geführten Angriff auf die Wirksamkeit des Patents und nicht auch der gerichtlichen Überprüfung des Patents im Übrigen. Ein Patent kann vom Nichtigkeitsbeklagten nur insoweit beschränkt verteidigt werden, als es vom Nichtigkeitskläger angegriffen wird. Die beschränkte Verteidigung des Streitpatents durch Kombination eines angegriffenen Anspruchs mit einem nicht angegriffenen Unteranspruch oder mit einer von mehreren Varianten eines nicht angegriffenen Unteranspruchs ist unzulässig. Dies gilt auch, dann wenn derartigen Ansprüchen weitere Merkmale hinzugefügt werden, welche nicht Gegenstand eines nicht angegriffenen Unteranspruchs sind.

Zum Urteil

Relevante Rechtsnormen

§§ 64, 82 PatG; Art. 105a PatG

Sachverhalt

Der X. Senat hatte im Nichtigkeitsberufungsverfahren die Frage zu entscheiden, ob es dem Patentinhaber gestattet war, die beschränkte Verteidigung des mit einer Teilnichtigkeitsklage angegriffenen Streitpatents durch Hilfsanträge auch auf eine Anspruchsfassung zu stützen, in welcher dem angegriffenen Anspruch 1 eine Kombination sämtlicher Merkmale oder einer von mehreren Varianten nicht angegriffener Unteransprüche (hier Ansprüche 5 und 6, deren Streichung die Patentinhaber auch angeregt hatte) hinzugefügt worden war bzw dieser Fassung des Anspruchs 1 noch ein weiteres Merkmal aus der Beschreibung hinzugefügt war.

Bisherige Rechtsprechung

Für den Teilangriff im Nichtigkeitsverfahren (zur umstr. Rechtslage beim Teilanspruch im nationalen Verfahren vgl. Engels/Busse PatG 2016 8. Aufl. § 59 Rn. 292) war schon nach bisheriger Rspr. der Grundsatz anerkannt, dass eine Disposition des Patentinhabers durch Fallenlassen oder Änderung des Anspruchs nur im Rahmen des Angriffs und damit des Streitgegenstands möglich ist (Keukenschrijver/Busse PatG 8. Aufl. 2016 § 82 Rn. 104 sowie die weiteren Zitate in der vorliegenden Entscheidung; offengelassen allerdings in BGH Urt. v. 26.8.2014 X ZR 18/11; zur Kritik Engels/Busse PatG 8. Aufl. 2016 § 59 Rn. 266). Dem Patentinhaber soll insoweit sogar die Anpassung der Nummerierung der Ansprüche verwehrt sein (BGH Urt. v. 11.11.2003 – X ZR 61/99 – Mikroschaber).

Entscheidungsgründe

Ein Patent kann vom Nichtigkeitsbeklagten nur in dem Umfang beschränkt verteidigt werden, in dem es vom Nichtigkeitskläger angegriffen wird. Mit der beschränkten Verteidigung eines teilweise angegriffenen Patents durch Kombination eines angegriffenen Anspruchs mit einem auf diesen rückbezogenen, aber mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffenen Unteranspruch wird das Streitpatent der Sache nach im Umfang des nicht angegriffenen Unteranspruchs zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Die Möglichkeit, das Patent beschränkt zu verteidigen, dient aber allein der Verteidigung des Nichtigkeitsbeklagten gegenüber dem vom Nichtigkeitskläger geführten Angriff auf die Wirksamkeit des Patents und nicht auch der gerichtlichen Überprüfung des Patents im Übrigen. Für eine solche beschränkte Verteidigung ist ein Rechtsschutzbedürfnis selbst dann nicht anzuerkennen, wenn der Nichtigkeitskläger die Rechtsbeständigkeit des mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffenen Unteranspruchs in Zweifel zieht. Denn die beschränkte Verteidigung gegenüber einer Teilnichtigkeitsklage auch im Umfang eines nicht angegriffenen Unteranspruchs hätte im Wesentlichen die Wirkung einer Widerklage des Patentinhabers gegenüber dem Nichtigkeitskläger auf Feststellung der Rechtsbeständigkeit des Streitpatents im Umfang des nicht angegriffenen Unteranspruchs. Eine solche Klage ist aber im Gesetz nicht vorgesehen und kann deshalb auch nicht Gegenstand einer beschränkten Verteidigung des Nichtigkeitsbeklagten sein.

Konsequenz

Mit dieser Entscheidung hat der BGH für den Teilangriff im Nichtigkeitsverfahren den Patentinhaber sehr weitgehend – je nach Disposition des Klägers – auf den Weg des § 64 PatG bzw. Art. 105a EPÜ verwiesen und damit zugleich den Prüfungsumfang des Gerichts beim Teilangriff auf das Patent in diesen Fällen erheblich reduziert. Insoweit stellt die Begründung wesentlich auf Aspekte ab, welche von der bisherigen Rspr. zur eingeschränkten Disposition des Patentinhabers über nicht angegriffene Ansprüche angeführt worden war und überträgt diese auf die vorliegend maßgebliche Frage einer Einschränkung des Selbstbeschränkungsrechts auch hinsichtlich der angegriffenen Ansprüche, wenn diese sich jedenfalls auch der Merkmale nicht streitgegenständlicher Ansprüche bedienen. Der X. Senat spricht einer solchen Verteidgung das Rechtsschutzbedürfnis ab. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen sich insoweit auf das Nichtigkeitsverfahren vor dem BPatG ergeben, dessen „dienen-de“ Funktion für das Verletzungsverfahren im dualen System damit ein Stück betont wurde und dem isolierten Beschränkungsverfahren neues Gewicht verleiht.

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