Keine Verknüpfung der Antragslage im dualen System? | BPatG Intrakardiale Pumpvorrichtung

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Das PatG hatte sich mit der Frage zu befassen, inwieweit der Patentinhaber im Nichtigkeitsverfahren durch seine eigenen Erklärungen und Anträge gebunden wird und ob aus einem parallelen Verletzungsverfahren derartige Bindungswirkungen erzeugt werden können. Das BPatG lehnte derartige Bindungswirkunegn ab und entschied:

1. Der Patentinhaber ist während des Nichtigkeitsverfahrens vor dem BPatG an einen auf die ausschließlich beschränkte Verteidigung des angegriffenen Streitpatents gerichteten Antrag nicht gebunden, da die Beschränkungswirkung erst aufgrund des Urteils und mit Eintritt der Rechtskraft erfolgt.

2. Dies gilt auch dann, wenn eine derartige anfängliche beschränkte Verteidigung des Streitpatents im Hinblick auf eine Abstimmung mit dem parallelen Patentverletzungsverfahren und die dortige Fassung des Patentanspruchs erfolgt und der insoweit im Nichtigkeitsverfahren schriftsätzlich angekündigte Antrag der Patentinhaberin die zusätzliche Erklärung umfasst, auf einen darüber hinaus gehenden Schutz für die Vergangenheit und die Zukunft zu verzichten.

Zum Urteil

BPatG/Urt/15.11.2016/4 Ni 42/14 (veröff. in Mitt. 2017,174)

Relevante Rechtsnormen

§20 Abs. 2 Nr. 1PatG, § 82 PatG, §§ 307, 308 ZPO

Sachverhalt

Die Nichtigkeitsbeklagte hatte im Verfahren vor dem BPatG zunächst schriftsätzlich die als Antrag formulierte Erklärung abgegeben „das Patent gemäß beiliegender Anspruchsfassung beschränkt aufrecht zu erhalten, wobei auf den darüber hinausgehenden Schutz für die Vergangenheit und die Zukunft verzichtet wird“, später jedoch mit Hauptantrag die erteilte Fassung des Streitpatents verteidigt. Im parallelen Verletzungsverfahren hatte sie klageerweiternd das Streitpatent einbezogen und den dortigen Klageanspruch auf den nicht beschränkten Patentanspruch 1 erteilter Fassung gestützt. Die Nichtigkeitsklägerin sah dieses Antragsverhalten als unzulässig an und die Beklagte an ihre anfängliche Erklärung gebunden. Das BPatG teilte diese Auffassung nicht.

Bisherige Rechtsprechung

Nach st. Rspr. gilt auch im Nichtigkeitsverfahren – wie auch im Einspruchsverfahren – der Grundsatz der Antragsbindung nach § 308 ZPO, jedoch sind die Parteien frei, ihre Anträge im Verlaufe des Verfahrens zu ändern, so dass auch eine beschränkte Verteidigung erst mit Rechtskraft unwiderruflich bzw. bindend wird (Keukenschrijver/Busse PatG 8. Aufl. 2016 § 82 Rn 120). Anerkannt ist auch, dass in diesen der Amtsermittlung nach § 87 PatG unterliegenden Verfahren ein prozessuales Anerkenntnis i. S. v. § 307 ZPO über den Nichtigkeitsangriff und ein hiermit verbundenes Gestaltungsurteil nicht möglich ist (BGH GRUR 1995, 577 – Drahtelektrode, m. w. N.; GRUR 2004, 707 – Dynamisches Mikrofon; offen gelassen in BPatG GRUR 2009, 145 – Fentanylpflaster; dagegen zum Anerkenntnisurteil über die Erledigungsfeststellung BPatG Urt. v. 14.06.2016, 4 Ni 11/15). Umstritten ist die Frage, ob und inwieweit zwischen Nichtigkeitsverfahren und parallelen Verletzungsverfahren Bindungswirkungen bzgl des Antragsverhaltens abgeleitet werden können. Das BPatG hat eine solche Bindungswirkung jedenfalls für das Nichtigkeitsverfahren verneint (zur fehlenden Bindungswirkung an ein Beschränkungsverfahren Keukenschrijver/Busse PatG 8. Aufl. 2016 § 82 Rn 104 m.w.N.)

Entscheidungsgründe

In der schriftsätzlichen Erklärung der Patentinhaberin liegt weder eine wirksame materiell-rechtliche Verzichtserklärung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG, zumal Gegenstand eines derartigen Verzichts nur das ganze Patent oder einzelne Patentansprüche sein können, nicht aber die Änderung des Wortlauts eines Anspruchs durch Aufnahme weiterer Merkmale bzw. eine engere Fassung des Anspruchs (BGH GRUR 1953, 86 – Schreibhefte; Schulte PatG, 9. Aufl. 2014 § 20 Rn 16; Keukenschrijver/Busse PatG 8. Aufl. 2016 § 20 Rn. 33).

Auch liegt hierin kein wirksames prozessuales Anerkenntnis i. S. v. § 307 ZPO, welches zu einem Teilanerkenntnisurteil führen könnte oder an welches die Beklagte aus sonstigen Gründen gebunden ist, da ein solches im Nichtigkeitsverfahren nicht möglich ist. Hiervon zu unterscheiden ist die beschränkte Verteidigung des Patents im Nichtigkeitsverfahren, welche sich nur als ein auf Erlass eines entsprechenden Gestaltungsurteils gerichteter Sachantrag darstellt, der ohne unmittelbare Wirkung ist und mangels Bindung als Prozesserklärung bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrens jederzeit rücknehmbar ist. Erst mit Rechtskraft tritt eine Bindung und Beschränkungswirkung ein (Meier-Beck GRUR 2011, 857, 865). Auch ist diese nicht mit der bindenden Beschränkung eines Widerspruchs im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vergleichbar (BGHZ 128, 149 – Lüfterklappe).

Ob die Beklagte im Verletzungsverfahren eine beschränkte Fassung des Streitpatents geltend machen darf, wenn sie dieses im Nichtigkeitsverfahren nicht entsprechend ausschließlich beschränkt verteidigt (hierzu BGH GRUR 2010, 904 – Maschinensatz) kann dahinstehen. Denn jedenfalls aus dem Verhalten der Beklagten im Verletzungsverfahren kann eine entsprechende Bindung im Nichtigkeitsverfahren und Pflicht aus § 242 BGB, das Patent entsprechend mit Haupt- oder 1. Hilfsantrag beschränkt verteidigen zu müssen (so für den Fall einer vorliegenden Verurteilung Grunwald, Mitt. 2010, 549; dagegen Meier-Beck GRUR 2011, 857, 865), nicht abgeleitet werden. Denn eine solche Pflicht würde wegen des Popularcharakters des Nichtigkeitsverfahrens und der allgemeinen Gestaltungswirkung des Nichtigkeitsurteils untrennbar auch gegenüber der Allgemeinheit zum Tragen kommen, welcher gegenüber die Patentinhaberin jedenfalls durch ihre Erklärung nicht verpflichtet ist.

Konsequenz

Die vorliegende Entscheidung bestätigt die bisherige Rspr. zur Freiheit des Patentinhabers, das Streitpatent im Nichtigkeitsverfahren bis zum Verfahrensabschluss ohne Bindung an seine vorherigen Anträge zu verteidigen, und wirft im Hinblick auf die Verneinung einer Bindungswirkung durch die im Verletzungsverfahren geschaffene Antragslage wichtige, bisher in der höchstrichterlichen Rspr. nicht geklärte Fragen zur erforderlichen Verknüpfung des dualen Systems und eines Verfahrensabgleichs auf.

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