Vollziehung Auskunftsverfügung

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Die Entscheidung befasst sich u.a. mit der Frage, welche Maßnahmen zur Vollziehung einer einstweiligen Urteilsverfügung, die einen Anspruch auf Drittauskunft tituliert, notwendig sind.

Zum Urteil

OLG Düsseldorf, I-15 U 4/17, Beschluss vom 06.04.2017 (unveröff.)

Relevante Rechtsnormen

§ 929 ZPO

Sachverhalt

Das Landgericht hatte die Verfügungsbeklagte per Beschluss im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung (unter Androhung von Ordnungsmitteln) zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung gem. § 140b Abs. 1, 7 PatG verpflichtet. Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat es die einstweilige Verfügung mit Urteil bestätigt.

Binnen eines Monats nach Verkündung des Urteils hat die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten eine beglaubigte Abschrift einer Ausfertigung des Urteils sowie das Original einer Bankbürgschaft zugestellt. Sie hat darüber hinaus der Verfügungsbeklagten schriftlich angezeigt, auch den Auskunftsanspruch vollstrecken zu wollen und zwecks Erfüllung dieser Pflicht der Verfügungsbeklagten eine Frist gesetzt. Für den Fall des fruchtlosen Ablaufs stellte sie in Aussicht, ohne weitere Ankündigung von den gesetzlichen Zwangsmitteln Gebrauch zu machen.

Nach Ablauf der Monatsfrist stellte die Verfügungsklägerin einen Zwangsmittelantrag gem. § 888 ZPO.

Die Parteien streiten darüber, ob die Vollziehung der Urteilsverfügung die Stellung des Zwangsmittelantrages erfordert oder ob die vorherigen Maßnahmen der Verfügungsklägerin ausreichten.

Bisherige Rechtsprechung

Nach h. M. genügt zur Vollziehung eines Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren, welches ein Unterlassungsgebot nebst Ordnungsmittelandrohung enthält, die Parteizustellung des Urteils (vgl. z.B. BGH WRP 1996, 104 – Unterlassungsverfügung ohne Strafandrohung). Nach einer weitverbreiteten Ansicht können auch andere ähnlich formalisierte und urkundlich belegte Maßnahmen wie die Parteizustellung genügen (so z.B. OLG Düsseldorf [20. Zivilsenat] WRP 2015, 764 – Diamant-Trennscheiben).

Ob Gleiches für die Vollziehung einer Auskunftsverfügung gilt, ist umstritten. Während nach einer Ansicht die Parteizustellung des Urteils als Vollziehungsmittel ausreicht (OLG Frankfurt WRP 1998, 223; OLG Celle OLGR 2001, 261; OLG München MDR 2003, 53), ist nach anderer Ansicht zusätzlich ein Vollstreckungsantrag des Gläubigers nach § 888 ZPO erforderlich (OLG Hamburg WRP 1996, 1047; OLG Rostock MDR 2006, 1425).

Entscheidungsgründe

Der Senat hat sich der letztgenannten Ansicht angeschlossen.

Dies zunächst deshalb, weil eine Vollziehung im Sinne der §§ 928 ff., 936 ZPO die besondere Form der Vollstreckung einer einstweiligen Verfügung meint, mit der bloßen Zustellung des Titels aber die Zwangsvollstreckung noch nicht eingeleitet wird, sondern lediglich eine unabdingbare Voraussetzung dafür geschaffen wird. Die Zustellung besagt daher nur, dass der Gläubiger von der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will; nicht hingegen, dass er auch die Absicht hat, sie mit Zwangsmitteln durchzusetzen.

Zudem besteht keine vergleichbare Situation zu Unterlassungsverfügungen, die bereits eine – nach § 890 Abs. 2 ZPO vor Festsetzung zwingend erforderliche – Ordnungsmittelandrohung enthalten.

Eine solche Ordnungsmittelandrohung, die mit einer „echten“ Vollstreckungshandlung vergleichbar ist, ist nach § 888 Abs. 3 ZPO gerade ausgeschlossen. Nur der konkrete Zwangsmittelantrag macht daher hinreichend deutlich, dass der Gläubiger beabsichtigt, die Auskunftsverfügung zwangsweise durchzusetzen.

Darüber hinaus beruht die Überlegung, dass bei einer Unterlassungsverfügung mit Ordnungsmittelandrohung schon die Zustellung des Urteils genügt, auf der Besonderheit, dass in der Regel fristgerechte „echte“ Vollstreckungsmaßnahmen vor der ersten Zuwiderhandlung nicht möglich sind. Die Frist von 1 Monat ist regelmäßig zu knapp, um die für den Antrag nach § 890 ZPO erforderliche Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot festzustellen und sodann innerhalb des Monats einen entsprechenden Antrag zu stellen. Bei der Auskunftsverfügung stellt sich die Situation in der Regel anders dar. Der Gläubiger kann regelmäßig zeitnah klären, ob der Schuldner die Auskunftsverpflichtung freiweillig erfüllt oder ob er sie zwangsweise durchsetzen muss. Sowohl Gläubiger wie auch Schuldner können und müssen einem Eilverfahren Priorität beimessen. Der Gläubiger kann dem Schuldner eine kurze Frist zur Auskunftserteilung setzen; die Auskunft ist unverzüglich – d. h. ohne schuldhaftes Zögern – zu erfüllen. Dies gilt umso mehr als § 140b Abs. 7 PatG eine offensichtliche Rechtsverletzung fordert. Da es für die Einhaltung der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nur auf den rechtzeitigen Eingang des Zwangsmittelantrages gem. § 888 ZPO beim zuständigen Gericht ankommt, wird dem Gläubiger auch nichts Unmögliches abverlangt, wenn er in der gegebenen Zeitspanne überprüfen muss, ob die zwangsweise Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs notwendig ist und sodann ggfs. einen Zwangsmittelantrag stellen muss.

Nach alledem genügten im zur Entscheidung anstehenden Fall die Maßnahmen, die die Verfügungsklägerin innerhalb der Monatsfrist unternomen hatte nicht zur Vollziehung der einstweiligen Verfügung. Insbesondere auch die Zustellung der Bürgschaftsurkunde und die schriftliche Ankündigung nicht. Erstere ist nur Voraussetzung, aber nicht Einleitung der Vollziehung. Zweitere reichte jedenfalls bereits deshalb nicht, weil der Gläubiger „echte“ Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen kann. Auf andere Maßnahmen, die einen ähnlich formalisierten Charakter wie eine Zustellung aufweisen, ist er nicht angewiesen.

Die Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO führt zur endgültigen Unwirksamkeit der einstweiligen Verfügung. Dies ist vom Prozessgericht von Amts wegen zu beachten. Im Berufungsverfahren ist deshalb eine nicht fristgerecht vollzogene einstweilige Verfügung ohne weitere materiell-rechtliche Prüfung mit Wirkung ex-tunc aufzuheben.

Konsequenz

Bei einer Auskunftsverfügung ist zügiges Handeln des Gläubigers angesagt. Innerhalb eines Monats nach Verkündung des Urteils müssen nicht nur die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung geschaffen werden, sondern es muss, wenn der Schuldner nicht freiwillig Auskunft erteilt, auch ein Antrag nach § 888 ZPO gestellt werden. Großzügige Fristen für die freiwillige Erfüllung der Auskunftspflicht können dem Schuldner angesichts dessen in der Regel nicht gewährt werden. Auch der Schuldner muss sich sputen, will er nicht die zwangsweise Durchsetzung des Auskunftstitels gegen sich riskieren.

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Ulrike Voß
Frau Ulrike Voß ist seit 2014 Vorsitzende Richterin eines Patentsenats beim OLG Düsseldorf. Zuvor war sie fünf Jahre Vorsitzende Richterin einer der Patentkammern des Landgerichts Düsseldorf. Sie ist Mitherausgeberin des im Beck-Verlages erschienen Werkes "Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz" sowie Autorin im Beck-Online Kommentar / Patentrecht.
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