Weitreichende Kostenbeteiligung bei mehreren Nichtigkeitsklägern | BGH Fugenband

0
905
Aufrufe
© MIH83 pixabay.com

Lesen Sie mehr zu diesem Urteil im Beitrag “BGH klärt Klarheitsdebatte Fugenband | BGH Fugenband” von Rainer Engels

Der BGH beleuchtet in der Entscheidung Fugenband die Frage der notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 ZPO im Nichtigkeitsverfahren, welche insbesondere im Hinblick auf die Vertretungsfiktion des Abs. 1, wonach ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, sowie die verpflichtende Beteiligung im Rechtsmittelverfahren und an den Kosten von Bedeutung ist. Danach gilt: Ist eine Patentnichtigkeitsklage von mehreren Klägern erhoben oder sind mehrere Klageverfahren, die dasselbe Patent zum Gegenstand haben, zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden, sind die Kläger notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO.

Zum Urteil

BGH/27.10.2015/X ZR 11/13 (veröff. in GRUR 2016, 361)

Relevante Rechtsnormen

§§ 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, 33 Abs. 1 RVG

Sachverhalt

Der BGH hatte in einem teilweise erfolgreichen Nichtigkeitsberufungsverfahren über die neu zu verteilenden Kosten erster und zweiter Instanz zu entscheiden, wobei die Berufung nur von einer der beiden Klägerinnen eingelegt war, so dass sich die Frage stellte, ob auch hinsichtlich der weiteren Klägerin der Kostenausspruch zu ändern war. Der BGH bejahte dies im Hinblick auf § 121 Abs. 1 PatG, §§92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, da auch die weitere Klägerin am Berufungsverfahren beteiligt war ohne Berufungsführerin zu sein und sie deshalb auch von der zu Gunsten der Klägerseite geänderten Kostenentscheidung erster Instanz profitierte.

Bisherige Rechtsprechung

Der BGH hat bereits in der Entscheidung Tintenpatrone II (BGHZ 192, 245) ausgeführt, dass im Falle notwendiger Streitgenossenschaft ein Streitgenosse auch dann weiter am Verfahren zu beteiligen ist, wenn er gegen eine Instanzentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat, wobei dort der Fall notwendiger Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1 2. Alt ZPO aus materiellrechtlichen Gründen vorlag, das Recht also nur von mehreren Berechtigte oder mehreren Verpflichteten gemeinsam ausgeübt werden darf und ansonsten die Klage wegen fehlender Prozessführungsbefugnis abgewiesen werden müsste, während sich vorliegend die Frau notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1 1. Alt. ZPO stellt, also der notwendigen einheitlichen Sachentscheidung bei gemeinsamer Klage. So ist anerkannt, dass die Aktionäre einer gemeinsam erhobenen Anfechtungsklage notwendige Streitgenossen in diesem Sinne sind, weil nach § 248 Abs. 1 AktG ein Urteil, durch das ein Hauptversammlungsbeschluss für nichtig erklärt wird, für und gegen alle Aktionäre der verklagten Gesellschaft wirkt (BGHZ 122, 211).

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung über die Nichtigerklärung eines Patents ergeht durch Gestaltungsurteil; sie muss vergleichbar zur aktienrechtlichen Nichtigkeitsklage (BGHZ 122, 121) einheitlich ergehen, da das klagestattgebende Nichtigkeitsurteil Wirkungen gegenüber jedem der Kläger entfaltet. Darüber hinaus hat eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents gemäß Art. 68 EPÜ oder §§ 22 Abs. 2, 21 Abs. 3 PatG Gestaltungswirkung gegenüber jedermann dahingehend, dass die Wirkungen des Patents in dem Umfang der Nichtigerklärung als von Anfang an nicht eingetreten gelten. Die notwendige Streitgenossenschaft hat zur Folge, dass die Klägerin zu 2 weiter am Verfahren beteiligt ist, auch wenn sie das Urteil des Patentgerichts nicht mit der Berufung angefochten hat (BGHZ 192, 245 Rn. 22 – Tintenpatrone II).

Konsequenz

Mit dieser Entscheidung zieht der X. Senat die Grenzen notwendiger Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1. 1. Alt. im Nichtigkeitsverfahren sehr weit, wobei tatsächlich die verbundenen Klagen wegen identische Anträge und Nichtigkeitsgründe identische Klagegenstände aufwiesen, während der BGH in seiner Entscheidung konsequent nur auf das identische Streitpatent abstellt, da die Begründung nicht in der Identität der Streitgegenstände liegt, sondern in derjenigen einer möglichen, dann aber notwendigen gemeinsamen Gestaltungswirkung. Weitreichende Folgen der notwendigen Streitgenossenschaft sind u.a. die Vertretungsfiktion (hierzu BPatGE 53, – Lysimeterstation) und Kostenfolge (siehe bereits OLG Düsseldorf Urt. v. 24.1.2012, X ZR 94/10). Diese Konsequenzen finden ihre Entsprechung auch in der Rspr. zur streitgenössischen Nebenintervention nach § 69 ZPO (BGH GRUR 2008, 60 – Sammelhefter II) und der in §§ 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO bestimmten Kostenfolge.

Karlsruhe

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here