Da die Gründe für die Verfassungsbeschwerde offiziell noch nicht bekannt gegeben wurden, ist in den letzten Wochen viel darüber spekuliert worden, was hinter der Verfassungsbeschwerde gegen die beiden Gesetze zum Einheitspatent (EP-Patent) bzw. Einheitlichen Patentgericht (UPC) steckt. Einerseits ist diskutiert worden, ob sich die arbeitsrechtlichen Defizite am EPA auf die Verfassungsmäßigkeit des neuen europäischen Patentsystems auswirken könnten. Andererseits wird von Vielen die fehlende richterliche Unabhängigkeit der Beschwerdekammern und des zukünftigen Einheitlichen Patentgericht (UPC) moniert, die nicht unabhängig vom Amt seien.
Wie Dr. Thorsten Bausch (Hoffmann Eitle) berichtet, scheinen die allgemeinen Gründe für diese Verfassungsbeschwerde nun bekannt zu sein. Demnach fußen die Gründe auf Verstöße gegen das deutsche Grundgesetz, die sich in Zusammenhang mit der Errichtung des UPC ergeben. Auf eine Anfrage an das Bundesverfassungsgericht nahm dieses hierzu nun wie folgt Stellung.
Demnach argumentiert die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass das deutsche Ratifizierungsgesetz zum UPC der Preisgabe nationalstaatlicher Souveränität gleichkomme, die sich aus dem Recht auf Demokratie ableitet (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz).
Im Einzelnen seien somit die Erfordernisse für eine qualifizierte Mehrheit zu dem deutschen Ratifizierungsgesetz zum UPC aus Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 79 (2) Grundgesetz – die die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäischen Union (hierin auf eine internationale Organisation in Form des UPC) durch Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes regelt – nicht gegeben gewesen zu sein, da eine Änderung des Grundgesetzes einer Zweidrittelmehrheit bei einer namentlichen Abstimmung mit allen Parlamentariern im Bundestag bedürfe. Bei der Verabschiedung des Gesetzes waren jedoch nur noch rund 35 von 630 Abgeordneten anwesend.
Zudem bestünden aus Sicht der Beschwerdeführerin insbesondere demokratische Defizite und Defizite in Rechtsstaatlichkeit hinsichtlich der Regulierungsbefugnisse der Organe des UPC. Derzeit sind bereits vier Verfassungsbeschwerden rechtshängig, die kritisieren, dass vor dem EPA-eigenen Gericht ein Mangel an effektivem Rechtsschutz bestünde (2 BvR 2480/10, 2 BvR 421/13, 2 BvR 756/16, 2 BvR 786/16). Mit einer diesbezüglichen Entscheidung ist noch in diesem Jahr zu rechnen.
Ferner seien die Richter des UPC nicht unabhängig und wären zudem auch nicht demokratisch legitimiert. Diese Argumentation könnte darin begründet sein, dass die Richter nur für sechs Jahre – anders als in Deutschland in der Regel auf Lebenszeit – ernannt werden, wobei eine Wiederbestellung möglich – aber nicht garantiert – ist (Art. 4 UPC-Statut).
Wann mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerechnet werden kann, ist nicht bekannt, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein Termin für eine diesbezügliche Entscheidung anberaumt ist. Somit bleibt vorerst auch völlig offen, wann das europäische Patentsystem in Kraft treten wird.